13. Und wie noch Alle schweigend steh'n !
Und an dem Kampf verzagen,
Sieht man Pipin zum Kampfplatz
geh'n,
Allein den Strauß zu wagen.
14. Er ruft den blut'gen Löwen an
Mit donnerreicher Stimme;
Der stürzt auf ihn mit Wuth heran
Und brüllt vor wildem Grimme.
15. Und alles Volk sieht es mit Graus,!
Pipin nur ohne Grausen.
Sein gutes Schwert zur Scheid heraus
Läßt's durch die Lüfte sausen.
16. Und schlägt den Löwen in den Bart,,
Daß todt er niederstürzet.
Das war ein Schlag nach Heldenart,
Mit Heldenkraft gewürzet.
17. Nun rafft der wilde Ur sich auf,
Den neuen Feind er wittert,
Und rennt heran mit vollem Lauf,
Daß Schrank' und Boden zittert.
18. Doch unser Held steht mauerfest
Und wankt nicht von der Stelle:
Das Schwert er wieder sausen läßt
Und schwingt's mit Blitzesschnelle.
19. Und trifft den Schnaubenden so gut
Dicht an des Nackens Rande —
Da spritzt zum Himmel schwarzes
Blut,
Das Haupt stürzt hin zum Sande.
20. „Wie nun, ihr großen Recken ihr.
Was dünkt euch von dem Kleinen?
Mag nun der Held lm Kampfrevier
Euch groß genug erscheinen?" —
21. Es steh'n beschämt die Spötter werth,
Gesenkt die stolzen Blicke;
Pipin steckt ein sein gutes Schwert,
Dann tritt er schnell zurücke.
22 Des Volkes Jubel aber füllt
Ringsum die weiten Schranken.
Empor ihn hebend auf dem Schild
Zeigt ihn der Frank' dem Franken.
23. Als König grüßt ihn alle Welt,
Die Spötter müssen schweigen
Und ihm, der Leu und Ur gefällt,
Demüthiglich sich neigen.
Baur.
Die Mittheilung des Dichters weicht in Etwas von der herkömmlichen Erzählsweise über die That
Pipin's ab. Nach dieser hat der König nur den Löwen mit seinem Schwert getödtet, aber nicht einen
neuen Kampf mit dem Büffel ausgenommen. — Dieselbe Thatsache ist übrigens, jedoch mit etwas ver¬
ändertem Inhalte in dem Gedicht von Streckfuß (,,der Stärkste soll König der Starken sein, der Größte
Herrscher der Großen!" re.) behandelt.
6. Jung Siegfried.
1. Juud Siegfrieg war ein stolzer Knab',
Ging von des Vaters Burg herab.
2. Wollt' rasten nicht in Vaters Haus,
Wollt' wandern in alle Welt hinaus.
3. Begegnet ihm manch' Ritter werth
Beit festem Schild und breitem Schwert.
4. Siegfried nur einen Stecken trug,
Das war ihm bitter und leid genug.
5. Und als er ging im finstern Wald,
Kam er zu erner Schmiede bald.
6. Da sah er Eisen und Stahl genug,
Ein lustig Feuer Flammen schlug.
7. „O Meister, liebster Meister mein!
Laß du mich deinen Gesellen sein!
8. Und lehr' du mich mit Fleiß und Acht,
Wie man die guten Schwerter macht!"
9. Siegfried den Hammer wohl schivin-
gen kunnt,
Er schlug den Ambos in den Grund.
10. Er schlug, daß weit der Wald er¬
klang,
Und alles Eisen in Stücke sprang
11. Und von der letzten Eisenstana'
> Macht er ein Schwert, so breit und
lang.
12. „Nun hab' ich geschmiedet ein gutes
Schwert,
Nun bin ich wie and're Ritter
werth.
13. Nun schlag' ich wie ein and'ter Held
Die Riesen und Drachen in Wald
und Feld."
V. Uhland (geb. 1787, gest. 1862).
Ter in diesem Gedicht genannte Siegfried ist der Heid des Nibelungenliedes. Nach einer Sage, die
nicht mit in das Nibelungenlied aufgenommen worden ist, verließ Siegfried noch als Knabe seine Eltern,
kam im Walde zu einer Schmiede, lernte hier Schwerter schmieden, verfertigte sich selbst ein solches, töd-
tete damit einen Drachen und badete sich im Bll te desselben, wodurch seine Haut hart wiefHorn wurde
und Veranlassung gab zu dem Namen „hörnerner Siegfried." Diese Sage ist die Grundlage des Gedichts