Full text: [Band 2, [Schülerband]] (Band 2, [Schülerband])

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140. Starmũhe. 
Gestern sind die Starmätze im Garten meines Nachbars eingezogen. 
Es sind ihrer zwei drüben im Garten. Gewiß das nämliche Pärchen, 
das im vorigen Jahre hier seine Jungen großzog, und wir wollen 
uns freuen, daß die Tierchen den langen, bangen Winter überstanden 
haben und sich wieder in unserer Nachbarschaft einfinden. Der eine 
der beiden Vögel, das Männchen jedenfalls, sitzt oben auf der äußersten 
Spitze des höchsten Zweiges der Platane, der Morgensonne zugewendet, 
und sein Hals- und Brustgefieder schimmert in ihren Strahlen. Den 
Kopf trägt er hochgestreckt, die spitzen Federchen seiner Kehle heben 
und senken sich, den Oberkörper wendet er jetzt rechts, dann links und 
schlägt sich mit den Flügeln die Seiten. Auch die Schwanzfedern sind 
nicht ruhig, sie spreizen sich auseinander und falten sich wieder 
zusammen. 
Und welche Fülle von Tönen! In wunderlicher Folge reihen sie 
sich aneinander. Schnurrende, klatschende, schnalzende Laute, dazwischen 
der Lockruf einer Henne, das „Dschülp“ eines Spatzen und der kurze, 
kläffende Ton eines sehr jungen Hundes. Da! Horch, er hat den 
eigentümlichen Pfiff, mit dem ich euch Kinder zu rufen pflege, noch 
nicht verlernt, er flicht ihn in seinen Morgengesang auch heute noch 
mit ein mit eben solchem Behagen wie im Vorjahre, wo er oft Ver— 
anlassung zu Irrtümern gab und ihr gelaufen kamt, um zu fragen, 
was mein Begehr sei. Ihr erklärtet den Star damals für einen 
neckischen Kumpan, der sich dessen gar wohl bewußt sei, was er tue, 
und seine helle Freude daran habe. — Es ist ein seltsames Früh— 
liedchen, das sich Matz aus der Brust quetscht und trommelt; er ist 
dabei aber von der Vorzüglichkeit seiner Leistung offenbar völlig durch— 
drungen, das zeigt sein beharrlicher Eifer. 
Während dessen ist seine Frau an den Starenkasten geflogen. 
Sie untersucht das Bauwerk genau von innen und von außen. Auf 
dem Stängelchen vor dem Flugloche sitzt sie, guckt in den Kasten, 
nimmt mit aufgesperrtem Schnabel wie mit einem Zirkel das Maß 
des Schlupfloches, guckt noch einmal hinein, kriecht endlich flink ins 
Innere, kommt aber gleich wieder heraus. Sie schwirrt zu ihrem 
Manne hinauf und unterbricht ihn rücksichtslos mitten in seinem 
schönsten Liede. Sie setzt sich neben ihn und schnurrt eifrigst auf ihn 
ein. Er macht sich vor Überraschung ganz schlank; endlich fliegt er 
rasch auf den Brütekasten zu und direkt durch das Flugloch in den— 
selben, um auch gleich wieder draußen zu erscheinen. Frau Star ist 
unmittelbar hinter ihrem Manne hergeflogen. Es folgt eine neue, kurze
	        
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