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sich Schaum; leine Blasen steigen in ihm auf, und wenn man
das Ohr an die Wand des Passes legt, hört man es brausen und
sausen. Und nun hinein mit dem Stechheber in das Pabh! Noch
hat die Hefe sich nicht abgesetzt, sondern sie ist in üppigster
Vermehrung begriffen und macht den werdenden Wein trübe,
als sei Mileh darunter gemischt. Perlend und schäumend rinnt
der „Neue“ in das Glas, warm von der Gärung, dem Lebens-
vorgange der Hefe, der sich unter Wärmeentwickelung vollzieht.
„Federweiben* nennt man solchen Hefenwein, den Mann, Weib
und Kind gar gern trinken. Wie bei einem jugendübermütigen
Menschen erkannt werden kann, ob er gut veranlagt ist und
Eigenschaften besitzt, die ihn einst angenehm und wert machen,
so zeigt auch schon der FPederweibe die Spuren der späteren
Vollkommenheiten, die dem fertigen Wein eigen sein werden.
Den Schluß der Lese zu feiern, diese gute, alte Sitte, hat
abgenommen. WVo es aber nach altem Zuschnitt hergeht, da
wird die letzte Hotte bekränzt; die Pferde werden behängt und
beflittert, und etliche Mädehen und Buben kleiden sich bunt an,
mit rotem Röcklein und weihem Mieder, oder was die Mutter an
PFastnachtsstaat in der Trube bewahrte. Das gibt dann einen
prächtigen Zug vom Weinberg in den Ort hinein, wo der Herbst-
praten wartet, herrlicher Kalbsbraten mit Kartoffelschnitzen,
frischem Brote und neuem Weine.
Ist die Lese vorbei, ist auch der Vinter nicht weit, der
Winter, in dem die Hoffnungen auf das nächste Jahr schlummern.
der Wein aber sich rüstet zum LTrinkbarwerden.
Julius Stinde.
190. Frankfurt a. M.
Inmitten der weiten Talebene, welche sich zwischen Taunus, Oden—
wald und Spessart ausdehnt, liegt an beiden Seiten des Mainflusses
die schöne Stadt Frankfurt. Der kleinere Stadtteil auf dem linken
Mainufer heißt Sachsenhausen. Er ist mit dem eigentlichen, auf der
rechten Seite gelegenen Frankfurt durch den „eisernen Steg“ und vier
Brücken verbunden; die älteste davon, die sogenannte Alte Brücke, ist
mit dem Standbilde Karls des Großen geschmückt.
Wie hat sich das Bild der nächsten Umgebung des Flusses geändert
gegen jene Zeit, als noch tiefe Wildnis die Ufer deckte, als die Franken
auf ihren Kriegszügen gegen die Sachsen hier eine rettende Furt
fanden und die ersten festen Ansiedelungen anlegten, als Karl der