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sie würden alles wieder verlieren, wenn sie abzögen. Dasselbe meinten
auch die anderen elf Helden. Nur ein Verwandter des Kaisers, Genelun
mit Namen, wollte den Antrag annehmen. Er war ein mächtiger
Graf und war Rolands Stiefvater, aber Rolands Feind. Da wurde
beschlossen, daß ein kluger Held die Gesandtschaft zu dem Maurenkönige
zurückbegleiten sollte. Der sollte den König prüfen, ob er es ehrlich
meine oder nicht. Das war eine gefährliche Sache; aber Roland
sprang sogleich auf und sagte, er wolle der Bote sein. Davon wollte
Karl aber nichts wissen; auch keinen der übrigen elf Helden wollte er
fortlassen. Da schlug Roland vor, seinen Stiefvater Genelun zu senden.
Dieser, blaß vor Zorn, fuhr auf und rief: „Roland will mich in den
Tod senden, um bald das Erbe zu bekommen!“ Der Kaiser tadelte
Geneluns wilde Worte und forderte ihn auf, als Bote zum Mauren⸗
könige zu gehen. Genelun weigerte sich wiederholt; aber endlich mußte
er sich fügen. Er kleidete sich prächtig und zog mit den Gesandten
fort. Heimlich aber schwur er, an Roland Rache zu nehmen.
2. Wie Genelun die Franken verriet.
Die maurischen Gesandten hatten wohl bemerkt, daß Genelun den
Roland und die übrigen Frankenhelden haßte. Sie führten ihn vor
ihren König. Dieser schenkte ihm einen prächtigen Mantel und viel
Gold und versprach ihm noch viel mehr, wenn Genelun ihm gegen
Karl helfen würde. Genelun sagte, dann solle der Maurenkönig auch
Roland und die übrigen elf Helden töten. Der Maurenkönig meinte,
es wäre besser, wenn man den Kaiser Karl selbst töten könnte. Genelun
aber sagte: „Der Kaiser ist stets von zwanzigtausend Kriegern um—
geben, und jeder von diesen würde freudig für ihn sterben“ Der
Maurenkönig sprach: „So schicke ich hunderttausend Krieger, und wenn
diese alle erschlagen werden, so schicke ich doppelt so viele. Aber
Genelun sagte: „Wenn auch die ganze Welt sich dem Kaiser entgegen—
stellte, oo würde sie vor ihm zerstieben wie Staub vor dem Winde.
Ich will dir einen bessern Rat geben. Du mußt Karl reiche Gaben
senden und Treue versprechen. Dann wird er abziehen und Roland
mit den anderen Helden zurücklassen. Das will ich dir dann durch
Kundschafter melden, und dann kannst du Roland und dessen Krieger
erschlagen. Der Kaiser Karl aber wird dann vor Kummer sterben.“
Als der Maurenkönig das hörte, war er hocherfreut und schenkte dem
Genelun goldene Ringe, kostbare Pelze und edle Rosse. Dann nahm
dieser Abschied und zog zurück in das Frankenlager. Hier übergab er
dem Kaiser die reichen Schätze, die der König ihm für Karl mit—