366
aber noch schwang er den Durendarte. Da floh der Maurenkönig,
seine Getreuen folgten ihm, und die Schlacht war zu Ende.
Von den Franken waren nur wenige noch am Leben; die elf
Helden waren sämtlich im Kampfe gefallen. Roland suchte die Leichen
seiner Freunde und begrub sie. Endlich fand auch er eine Ruhestätte.
Vier große Marmorblöcke bildeten eine Bank; sie waren von einer
Fichte berschattet. Kampfesmüde sank er hier nieder; noch trug er
in der einen Hand den Olifant, in der andern den Durendarte. Dies
sah ein Maure, der dachte: Hier unter dem Baume stirbt Roland;
ich wal sein Schwert und sein Horn nehmen. Dann glauben alle, ich
hätte Roland erschlagen. Leise schlich er heran; aber Roland nahm
den Olifant und schlug damit den Mauren auf den Kopf, daß Helm
und Haupt zerschmettert wurden. Dann sprach er: „Olifant ist
zersprungen; aber auch Durendarte soll nicht in der Feinde Hand
fallen.“ Mit beiden Händen faßte er das Schwert und schlug es gegen
den Marmor. Der Stein gab Funken; doch das Schwert zersprang
nicht. Zehnmal wiederholte er den Schlag; aber das Schwert blieb
ohne Scharte. Da hielt Roland inne und sprach: „Mit Durendarte
habe ich viele Länder erobert. Die Engel brachten mir einst das
Schwert, daß .) die Witwen und Waisen beschirmen sollte. Nun gebe
ich dem Himmel das Schwert zurück, wie ich es vom Himmel empfangen
habe.“ Er hob einen Handschuh zum Himmel empor; da schwebte ein
Engel hernieder; der nahm das Schwert aus Rolands Händen und
trug es hinauf in den Himmel. Und Roland breitete seine Arme aus,
neigte das Haupt und sank sterbend zu Boden.
4. Wie Kaiser Karl den Verrat strafte.
Als Roland das Horn so gewaltig geblasen hatte, da war der
Schall auch zu Kaiser Karls Palast gedrungen. Alle wußten nun,
daß Roland in der Not war. Da ward der Kaiser sehr traurig;
Genelun aber sprach höhnisch: „Was wollt Ihr? Roland ist von
einer Bremse gestochen worden, als er im Grase schlief, oder er hat
vielleicht einen Hasen erjagt! Was erschreckt Ihr vor einem Horn—
schall?“ Aber alle Helden am Hofe zürnten Genelun; einer merkte
seine Falschheit und rief: „Du hast schlimmer an uns gehandelt als
Judas an Christus; denn du hast ein ganzes Volk verraten.“ Der
Kaiser ließ Genelun in Fesseln schlagen. Hundert Krieger mußten ihn
bewachen. Dann wurde er mitgeführt nach Ronceval. Hier bestatteten
die Franken ihre erschlagenen Brüder. Zwischen den Marmorfelsen
fanden sie Rolands Leichnam. Da klagte der Kaiser bitterlich um den