Full text: Lesebuch für Brandenburg

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mußte sein Leben lassen. In der Not hatte er sich aber auch manchmal 
mit Schnecken oder Heuschrecken begnügen müssen. 
3. Mit dem Eintritt des Winters bezog unser Iltis die alte Scheune 
und machte zunächst den Mäusen, die sich ebenfalls dorthin zurückgezogen 
hatten, das Leben sauer. Dann jagte er im Umkreise und kam so in einer 
der letzten Nächte auch an dem Hühnerstall des Bauern vorüber; da die 
Tür offen stand, konnte er der Versuchung nicht widerstehen. 
In den nächsten Tagen wollte der Iltis seine Sommerwohnung wieder 
beziehen und aufs neue einen Hausstand gründen. Nun ist alles aus. Der 
hartherzige Hofbauer zieht ihm schadenfroh das Fell ab und denkt gar nicht 
daran, wie viele schädliche Mäuse, Ratten, Schlangen und dergleichen Vere 
ein Iltis im Laufe eines Jahres aus der Welt schafft, und daß der Räuber 
ihm gar keinen Schaden hätte zufügen können, wenn er nur dafür gesorgt 
hätte, daß sein Hühnerstall rechtzeitig geschlossen worden wäre. Auf Dank⸗ 
barkeit darf aber ein Iltis bei den Menschen nicht rechnen; es könnte sonst 
nicht jährlich über eine halbe Million von ihnen erlegt werden. Aber ihre 
Felle haben einen Wert von etwa 2 Millionen Mark, und das erklärt das 
unbarmherzige Vorgehen gegen den Iltis zur Genüge. 
Dr. K. G. Lutz. (Wanderungen in Begleitung eines Naturkundigen.) 
77. Zwei Freunde. 
1. Es war ein kalter Wintertag. Der Wind pfiff über den freien 
Platz hinweg in die Straßen hinein; Hüte flogen davon, Papier und Staub 
wirbelte in der Luft, und dabei schien doch die Wintersonne ein wenig. Ich 
knöpfte meinen Winterüberzieher fest zu und trotzte der Kälte in meinem 
warmen Anzuge. Wie ich so auf dem Bürgersteige dahinschritt, sah ich 
neben mir auf dem Damm ein Hundefuhrwerk. Es war ein Preßkohlen⸗ 
händler, der seinen Kunden die Kohlen ins Haus brachte und sich mit 
seinem Hunde vor den vollgeladenen Handwagen gespannt hatte. Der 
Mann hatte die Ziehgurte um die Brust gelegt und zog in gebückter 
Haltung. Aber auch der Hund strengte sich an. Er blickte dabei oft auf 
seinen Herrn und bellte, als wollte er ihm vergnügt zurufen: „Wir beide 
frieren nicht, wir arbeiten tüchtig! Strenge dich nicht so sehr an, laß mir 
auch noch etwas zu ziehen übrig!“ 
„Das müssen zwei gute Freunde sein“, dachte ich bei mir selber, und ich 
sollte es auch bald erfahren, daß es wirklich so war. 
2. Der Mann hielt an, denn er hatte das Haus eines Kunden erreicht. 
Ehe er sich aber die Last von 100 Kohlen auf den Rücken lud, nahm er ein
	        
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