74 Dritter Abschnitt: Lebensbilder aus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte.
Dorfes. Wenn ein Fest im Dorfe gefeiert wurde, so nahmen sie
daran teil.
Als Luise Königin geworden war, standen ihr reiche Mittel zur Ver-
sügung. Die Armen hatten den Nutzen davon.
Doch war ihr auch viel Leid beschieden. In den Unglücksjahren
1806—1807 mußte sie mit ihren Kindern vor den Franzosen flüchten.
Sie floh nach Königsberg, und als die Franzosen sich auch dieser Stadt
näherten, wurde sie mit den Kindern nach Memel gebracht. Sie selbst
war krank, als sie diese Reise antreten mußte. Das Reisen war in jener
Zeit sehr beschwerlich, und es dauerte lange, deuu Eisenbahnen gab es
noch nicht; man benutzte den Postwagen oder irgendeinen andern Wagen.
Die Straßen waren nicht so gut gepflegt wie heute. Die Königin reiste
zur Winterzeit. In einer Nacht stand nur eine Herberge zur Verfügung,
in der es durch das Dach auf das Bett der Königin schneite.
Vor dem Frieden zu Tilsit hatte sie eine Unterredung mit Napoleon.
Sie bat um einen glimpflichen Frieden für ihr Land. Napoleon schlug
jede Bitte ab. In dem Frieden zu Tilsit mußte der König alle Länder,
die er links von der Elbe besaß, abtreten und große Summen Kriegs-
kosten zahlen. Bis diese bezahlt waren, blieben französische Truppen
in den preußischen Festungen und lebten dort auf Kosten Preußens. Um
die Franzosen möglichst bald aus dem Lande zu haben, verkaufte die
Königliche Familie alles, was sie an Gold- und Silbersachen besaß. Die
Königin gab ihren ganzen Schmuck hin, sie behielt nur eine Perlenkette.
Als sie einmal bei einer festlichen Gelegenheit ohne jeden andern Schmuck
erschien, fragte man sie, weshalb sie die Perlen so sehr bevorzuge.
Sie antwortete: „Perlen bedeuten Tränen, und ich habe deren so viele
vergossen."
Im Jahre 1809 kehrte die Königliche Familie nach Berlin zurück.
Mit unbeschreiblichem Jubel wurde sie aus der ganzen Reise und namentlich
in der Hauptstadt begrüßt. Im Sommer 1810 besuchte die Königin
ihren Vater in Neustrelitz. Kaum hatte sie ihre Heimat betreten, da
erkrankte sie. Sie wurde auf das Schloß Hohenzieritz gebracht in der
Hoffnung, daß die gesunde Landlust ihre Gesundheit wiederherstellen
würde. Diese Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Der König wurde
von ihrem Befinden benachrichtigt. Er kam mit feinen beiden Söhnen
Friedrich Wilhelm und Wilhelm. Das Wiedersehen war die letzte
Freude, bie der guten Königin hier auf Erden bereitet wurde.
Am 19. Juli 1810 starb sie im Alter von 34 Jahren. Das
Unglück, das die Franzosen über ihr Vaterland und über ihre Familie
gebracht haben, hat zu ihrem frühen Tode beigetragen. Ihre Leiche
wurde nach Charlottenburg gebracht. Dort baute der König ihr im
Schloßgarten eine schlichte und doch schöne Grabkapelle.