Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

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Dritter Abschnitt. 
Unser Vaterland. 
1. Der älteste Zustand unsers Vaterlandes. 
früher sah es in unserm Vaterlande gar anders aus als jetzt. 
Städte und Dörfer gab es noch nicht; wo jetzt Felder sind, war 
Wildniß und dichter Wald, von breiten Flüssen durchschnitten, und 
in den Niederungen waren große Sümpfe. In den finstern Wäl¬ 
dern hausten der' starke Ur, dessen Hörner als Trinkgefäße gebraucht 
wurden, und das Elenthier, der Wolf und der Bär; im Kampfe mit 
ihnen erprobten unsre Väter freudig ihre Kraft. Auf den Triften 
aber, die dem Sonnenlichte offen standen, weideten wilde Pferde in 
hohem Grase. 
Die Luft war rauh und feucht, aber dem kräftigen Volke gefiels 
hier doch. Es gehörte zu dem großen deutschen Stamme der Sach¬ 
sen. Das Sachsenland geht, soweit plattdeutsch gesprochen wird, 
denn das Plattdeutsch ist die uralte Muttersprache der Sachsen. 
Ihren Namen sollen sie von ihrer Waffe, einen: langen, gekrümmten 
Messer haben, welches sie an der Seite trugen und das Sachs genannt 
wurde. Drei große Stämme waren es, welche das Sachsenvolk 
bildeten: der östliche hieß die Ostfalen, der westliche die Westfalen; 
zwischen beiden wohnten an beiden Ufern der Weser die Engern. 
Jene beiden Stämme sollen ihren Namen Falen von ihrem hell¬ 
oder weißgelben Haar haben, denn hell- oder weißgelb wird noch 
heute fahl genannt. Die Sachsen waren ein wildes, trotziges, 
hartnäckiges Volk, von unbiegsamem Muthe, hielten gewaltig fest 
an dem Alten, und dabei ging ihnen die Freiheit über'alles. Von 
Leibe waren ste groß, meist sieben Fuß hoch, stark und schön. Ihre 
Hautfarbe war weiß und rein; ihr Haar floß in reicher Fülle um 
ihren Nacken. Aus den.großen, blauen, feurigen Augen leuchtete 
Muth und Freiheitsstolz. Frühzeitig wurde die Leibeskraft gestählt; 
das neugeborne Kind wurde in kaltes Wasser getaucht, das heran¬ 
gewachsene durch Leibesübung abgehärtet. Der Knabe ging mit 
dem Vater auf die Jagd, oder er warf sich bei Sturm und Kälte in 
den Strom und rang mit den Wellen. Der Mann überließ die 
Sorge für Haus, Hof und Feld denjenigen Familiengliedern, die zum 
Waffentragen untauglich waren; er selber zog auf die Jagd und in 
dcn Krieg. Außer dem Sachs trug er im Kriege lange Spieße, Boaen 
und Pfeile. 
Jeder Hausvater baute sich fern von den andern, an einer 
Quelle oder an einem Bache, aus gewaltigen Baumstämmen sein 
schlichtes Haus und umgab den Hofraum mit Pfahlwerk. Um den 
herum lag Acker, Weide und Wald. Das war sein und der Seini- 
gen Eigenthum, und er waltete nach alter Sitte darin als Priester, 
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