63. Kailser Wilhelms des Ersten, achtzigster Geburtstag.
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63. Kaiser Wilhelms, des Ersten, achtzigster Geburtstag.
Der 22. März 1877 war für uns ein vaterländischer Festtag der
eltensten Art, — an diesem Tage feierte unser allverehrter Kaiser und König,
Vilhelm I., seinen 80. Geburtstag. „Unser Leben währet siebenzig Jahre,
ind wenn es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und wenn es löstlich
Jewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen,“ dieses Wort des Psalmisten
erfüllte am 22. März 1877 Millionen Seelen unseres Volkes mit innigster
dankbarkeit gegen den höchsten Lenker aller Geschicke, daß er den Kaiser,
welcher das „neue Reich“ uns schuf, in unverminderter Rüstigkeit des Körpers
und Frische des Geistes jene achtzig Jahre hat vollenden lassen, die schon
nach den Worten der heiligen Schrift als ein Lebensalter bezeichnet werden,
vie es nur wenige, von Gott besonders Begnadete erreichen. Nicht allein
in der langen Reihe der deutschen Kaiser, sondern auch von saämtlichen
herrschern Preußens, Englands, Frankreichs und Rußlands kam kein einziger
über das achte Lebens-Decennium hinaus, nur wenige, wie Friedrich der
broße (1712 86), wurden über 70 alt. Georg III. von England wurde
war über 81 Jahre alt, hatte aber längst nicht mehr regiert. Von saämt⸗
lichen deutschen Kaisern sind nur vier 70 Jahre und darüber geworden:
hdarl der Große 72, Rudolf von Habsburg 73, Sigismund 75
und Frie drich II. 78; nicht mehr als im ganzen 19 unter 49 haben es
ju 60 und darüber gebracht.
VUnd wie reich an „Mühe und Arbeit“ ist das Leben unseres Kaisers
und Königs gewesen. In seiner Jugend sah er das Vaterland von unsäg—
lichem Elend betroffen, sah er die Trauer seiner königlichen Eltern, Friedrich
Wilhelm III. und der edelsten Königin Luise, durchlebte er mit
all das tiefe Leid seines Volkes. Er nahm aber auch teil an des Vater—
landes Wiedergeburt und Erretlung. Noch jung und schwach trat er nach
der Schlacht bei Leipzig in die Armee ein, blieb während des ganzen Feld⸗
juges nun stets an des Königs Seite und bewies sich in verschiedenen Ge—
sechten so mutig und tapfer, daß sein königlicher Vater in Anerkennung
hierfür seine jugendliche Brust mit dem eisernen Kreuze schmüchken konnte. —
Das 60. Lebensjahr hatte er vollendet, als er zur Ausübung des lönig—
lichen Amtes berufen wurde. Wo ist ein zweites Beispiel in der Geschichte,
daß ein Regiment, angetreten in einem Alter, wo die große Mehrzahl der
Menschen müde von des Lebens Arbeit die Hände sinken läßt, eine solche
Dhatigkeit entfaltet hat? In glorreichen, gewaltigen Kämpfen für des
Vaterlandes Wohl errang er Siege, von denen die Saänger bei den fernsten
Völkern wie von Märchen erzählen. Sein Verdienst ist das wiedererstandene
deutsche Reich, und er hob es auf einen Gipfel der Macht und des Ruhmes,
wie nie zuvor. Unermüdlich thätig, die Entwickelung des deutsches Reiches
zu befestigen und zu schützen, danken wir seiner Regierung eine Reihe be—