IL. Die Belagerung von Paris
379
„„Nach der Schlacht von Sedan lag den Unsrigen der Weg nach
daris offen. Es kam nun darauf an, dies einzunehmen.
Zwei Mal hatten die Verbündeten in den glorreichen Jahren 18314
nd 1815 Paris genommen, und dies war ohne große Opfer und Mühe
seschehen. Seitdem aber war die Stadt bedeutend größer geworden
und auf eine Bevölkerung von nahe an 2 Millionen Einwohner ange—
bachsen. Es war also größer als sämmtliche Residenzstädte des deut⸗
hen Reiches zusammengenoinmen. Der wichtigste Unterschied zwischen
Nmals und jetzt bestand aber darin, daß Paris 1815 noch eine offene
Sladt, jetzt jedoch die größte Festung der ganzen Welt war. Rings um
PHris ziehen sich Mauern mit Wällen und Gräben, welche eine Aus⸗
ehnung von 4 Meilen* haben. Was aber die Stadt fast unnahbar
achte, war, daß um diese Festungswerke herum sich ein Krauz von
leinen Festungen, Forts genannt, zog. Diese lagen von dem Saume
der Stadt zum Theil eine Stunde und noch weiter entfernt. So war
s große Häusermeer von Paris vortrefflich geschitzt. Denn aus den
sorts spieen Hunderte von Feuerschlünden ihre verderblichen Geschosse
nd hielten den Feind in respectvoller Ferne.
Es war Mitte September, als der Kbnig mit den Armeen der
heiden Kronprinzen heranrückte. Die Preußen, Sachsen, Bayern und
Vürttemberger umfaßten die Stadt und deren Forts in einem weiten
Umkreise wie mit einem eisernen Gürtel. Nun waren die Einwohner sanmmt
allen denen, die aus der Umgegend sich in die Stadt geflüchtet hatten,
eingeschlossen. Schiffe und Wagen, die sonst Lebensmittel und Brenn—
material zugeführt hatten, konnten jetzt nicht mehr hinein. Man hatte
sch zwar in Eile möglichst gut verproviantirt und ungeheure Vorräthe
in Getreide, Fleisch ü. s. w. aufgehäuft. Aber 2 Millionen Menschen
rauchen auch viel. Was verzehrt eine solche Menschenmenge nicht schon
einem einzigen Tage! Da durfte man wohl erwarten, daß bald
angel eintreten werde, und daß der bittere Hunger die Festung trotz
rer Stärke zur Uebergabe nöthigen werde. Dahc. beschränkte sich der
önig darauf, die Stadt vollständig abzusperren. Weil man nun zu
asser und zu Lande weder aus, noch ein konnte, so blieb denen in der
tadt nichts übrig, als den recht schwindligen und gefährlichen Weg
rch die Luft zu wählen. Mächtige Ballons dienten als Posten. Kühne
Luftschiffer ließen sich in diesen Fahrzeugen in die Höhe und segelten
ber die Belagerer hinweg ins Land hinein. Manchmal ging die Fahrt
weiter, als man wollte. So wurde ein solcher Ballon durch Frankreich,
Belgien, Holland über die Nordsee hinweg bis nach Norwegen ge—
trieben. Unsere Leute paßten auf diese Posten sehr auf und hatten
besondere Kanonen, scherzhaft Vogelflinten genannt, mit denen sie nach
diesen Vögeln schossen. Manchen Ballon bekamen sie auch ohne dies
daun bemüuchtigten sie sich der Personen und der Briefschaften, welche
durch die Luftpost befördert wurden.
Drin in Paris fingen Butter,
an knapp zu werden. Da wurden
2 30 AMAm.