Full text: Deutsches Lesebuch für die mittlere und obere Stufe einfacher Schulverhältnisse (Theil 2, [Schülerband])

IL. Die Belagerung von Paris 
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„„Nach der Schlacht von Sedan lag den Unsrigen der Weg nach 
daris offen. Es kam nun darauf an, dies einzunehmen. 
Zwei Mal hatten die Verbündeten in den glorreichen Jahren 18314 
nd 1815 Paris genommen, und dies war ohne große Opfer und Mühe 
seschehen. Seitdem aber war die Stadt bedeutend größer geworden 
und auf eine Bevölkerung von nahe an 2 Millionen Einwohner ange— 
bachsen. Es war also größer als sämmtliche Residenzstädte des deut⸗ 
hen Reiches zusammengenoinmen. Der wichtigste Unterschied zwischen 
Nmals und jetzt bestand aber darin, daß Paris 1815 noch eine offene 
Sladt, jetzt jedoch die größte Festung der ganzen Welt war. Rings um 
PHris ziehen sich Mauern mit Wällen und Gräben, welche eine Aus⸗ 
ehnung von 4 Meilen* haben. Was aber die Stadt fast unnahbar 
achte, war, daß um diese Festungswerke herum sich ein Krauz von 
leinen Festungen, Forts genannt, zog. Diese lagen von dem Saume 
der Stadt zum Theil eine Stunde und noch weiter entfernt. So war 
s große Häusermeer von Paris vortrefflich geschitzt. Denn aus den 
sorts spieen Hunderte von Feuerschlünden ihre verderblichen Geschosse 
nd hielten den Feind in respectvoller Ferne. 
Es war Mitte September, als der Kbnig mit den Armeen der 
heiden Kronprinzen heranrückte. Die Preußen, Sachsen, Bayern und 
Vürttemberger umfaßten die Stadt und deren Forts in einem weiten 
Umkreise wie mit einem eisernen Gürtel. Nun waren die Einwohner sanmmt 
allen denen, die aus der Umgegend sich in die Stadt geflüchtet hatten, 
eingeschlossen. Schiffe und Wagen, die sonst Lebensmittel und Brenn— 
material zugeführt hatten, konnten jetzt nicht mehr hinein. Man hatte 
sch zwar in Eile möglichst gut verproviantirt und ungeheure Vorräthe 
in Getreide, Fleisch ü. s. w. aufgehäuft. Aber 2 Millionen Menschen 
rauchen auch viel. Was verzehrt eine solche Menschenmenge nicht schon 
einem einzigen Tage! Da durfte man wohl erwarten, daß bald 
angel eintreten werde, und daß der bittere Hunger die Festung trotz 
rer Stärke zur Uebergabe nöthigen werde. Dahc. beschränkte sich der 
önig darauf, die Stadt vollständig abzusperren. Weil man nun zu 
asser und zu Lande weder aus, noch ein konnte, so blieb denen in der 
tadt nichts übrig, als den recht schwindligen und gefährlichen Weg 
rch die Luft zu wählen. Mächtige Ballons dienten als Posten. Kühne 
Luftschiffer ließen sich in diesen Fahrzeugen in die Höhe und segelten 
ber die Belagerer hinweg ins Land hinein. Manchmal ging die Fahrt 
weiter, als man wollte. So wurde ein solcher Ballon durch Frankreich, 
Belgien, Holland über die Nordsee hinweg bis nach Norwegen ge— 
trieben. Unsere Leute paßten auf diese Posten sehr auf und hatten 
besondere Kanonen, scherzhaft Vogelflinten genannt, mit denen sie nach 
diesen Vögeln schossen. Manchen Ballon bekamen sie auch ohne dies 
daun bemüuchtigten sie sich der Personen und der Briefschaften, welche 
durch die Luftpost befördert wurden. 
Drin in Paris fingen Butter, 
an knapp zu werden. Da wurden 
2 30 AMAm.
	        
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