Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

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heilen gegeben als den Glasmachern. Sie handeln mit ihrem Wald; 
sie fällen und behauen ihre Tannen, flößen sie durch die Nagold in den 
Neckar und durch den oberen Neckar in den Rhein hinab. Bis weit 
hinein nach Holland und am Meer kennt man die Schwarzwälder und 
ihre langen Flöße; sie halten an jeder Stadt, die am Strome liegt, 
an und erwarten stolz, ob man ihnen Balken und Bretter abkaufen 
werde; ihre stärksten und längsten Balken aber verhandeln sie um 
schweres Geld an die Mynheers, welche Schiffe daraus bauen. Diese 
Menschen nun sind an ein rauhes, wanderndes Leben gewöhnt. Ihre 
Freude ist, auf ihrem Holz die Ströme hinabzufahren, ihr Leid, am 
Ufer wieder heraufzuwandeln. Darum ist auch ihr Anzug so verschieden 
von dem der Glasmänner in andern Teilen des Schwarzwaldes. Sie 
tragen Wämser von dunkler Leinwand, einen handbreiten grünen Hosen¬ 
träger über die breite Brust, Beinkleider von schwarzem Leder, aus 
deren Tasche ein Maßstab von Messing wie ein Ehrenzeichen heraus¬ 
schaut; ihr Stolz und ihre Freude aber sind ihre Stiefel, die größten 
wahrscheinlich, welche auf irgendeinem Teil der Erde Mode sind, denn 
sie können zwei Spannen weit über das Knie hinaufgezogen werden, 
und die „Flößer" können damit in drei Schuh tiefem Wasser umher¬ 
wandeln, ohne sich die Füße naß zu machen. 
Noch vor wenigen Jahren glaubten die Bewohner dieses Waldes an 
Waldgeister, und erst in neuerer Zeit hat man ihnen diesen törichten Aber¬ 
glauben benehmen können. Sonderbar ist es aber, daß auch die Geister, 
die der Sage nach im Schwarzwald hausen, in diese verschiedenen Trachten 
sich geteilt haben. So hat man versichert, daß das Glasmännlein, ein 
gutes Geistchen von viertehalb Fuß Höhe, sich nie anders zeige, als in 
einem spitzen Hütchen mit großem Rand, schwarzem Anzug und roten 
Strümpfen. Der Holländer-Michel aber, der auf der andern Seite des 
Waldes umgeht, soll ein riesengroßer, breitschultriger Kerl in der Kleidung 
der Flößer sein, und mehrere, die ihn gesehen haben wollten, versichern, 
daß sie die Kälber nicht aus ihrem Beutel zahlen möchten, deren Felle 
man zu seinen Stiefeln brauchen würde. „So groß, daß ein gewöhnlicher 
Mann bis an den Hals hineinstehen könnte," sagten sie und wollten nicht 
übertrieben haben. 
Ein junger Köhler, der im badischen Schwarzwald in der Einsamkeit 
seines Meilers aufgewachsen war, verirrte sich einst bei einem Unwetter 
und kam auf der andern Seite des Waldes zu einer Flößerfamilie. Die 
Leute, die in der Hütte wohnten, waren ein Holzhändler, der Hauswirt, 
ein alter Mann, sein Vater, und einige erwachsene Söhne. Sie nahmen 
den Verirrten gut auf, ohne nach seinem Namen zu fragen, gaben ihm 
ein Nachtessen und Apfelwein zu trinken. Nachher setzten sich die Haus¬ 
frau und ihre Töchter mit ihren Kunkeln um den großen Lichtspan, den 
die Jungen mit dem feinsten Tannenharz unterhielten; der Großvater, der
	        
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