Full text: [Teil 9 = Klasse 1, [Schülerband]] (Teil 9 = Klasse 1, [Schülerband])

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24. Das Frankfurter Parlament. 
Noch im Frühsommer 1849 beriefen viele Staaten die Vertreter ihrer 
Wahlkreise aus dem Parlament ab, andre Abgeordnete schieden aus eigenem 
Entschlüsse aus, wie besonders die Österreicher — kurz der Sommer sah 
die einst so glänzende Versammlung vor dem rühmlosen Ende. Nur eine 
5 Schar von „Unbedingten", in der Hauptsache süddeutsche Republikaner, blieb 
als „Rumpfparlament" zusammen und verlegte dessen Sitz nach Stuttgart. 
Dort ergingen sie sich in nutzlosen Kundgebungen, deren Torheit nur durch 
die Machtlosigkeit dieser Versammlung überboten wurde; am 18. Juni 1849 
wurden sie durch die württembergische Regierung mit Waffengewalt aus- 
10 einandergetrieben. Im Dezember 1849 legte der Reichsverweser sein jedes 
Inhalts beraubtes Amt nieder. Ein bitteres Ende! Aber unverloren blieb 
doch die treibende Kraft des tollen Jahres: die Sehnsucht der Besten im 
Volke nach der politischen Einheit. 
Schlimm wurde für die weiteren Bestrebungen nach dieser Richtung, 
15 daß König Friedrich Wilhelm IV., der Erwählte der Kleindeutschen, so völlig 
versagt hatte, und daß dadurch auch dem preußischen Staate weiter das 
Zutrauen der Süddeutschen verloren ging: wenn Preußen alle Hoffnungen 
betrog, wenn sein König die Kaiserkone zurückwies, wie sollte dann Deutsch¬ 
land geeinigt werden können? 
20 Dabei verlangt die Gerechtigkeit, daß anerkannt werde, daß die Weige¬ 
rung Friedrich Wilhelms an sich wohlbegründet war, da die Annahme der 
Kaiserkrone den Krieg mit Österreich und Rußland gebracht haben würde. 
Dazu war aber Preußen nicht gerüstet — das war die Schuld des Königs; 
dazu hatte es sein Spiel nicht diplomatisch vorbereitet — wiederum durch 
25 des Königs Schuld. 
Und dann war der Grund, den Friedrich Wilhelm angab, „nur aus 
den Händen der Fürsten wolle er die Krone annehmen", geeignet, ihn selbst 
als Verächter des Parlaments und des Volkes erscheinen zu lassen; gleich¬ 
zeitig konnte man anderseits den Entschluß daraus lesen/daß er die Krone 
30 annehmen würde, wenn sie ihm durch die Fürsten angeboten werde. 
Als ob in diesem Falle der Krieg mit Österreich und Rußland nicht 
gekommen wäre! 
Oder dachte jemand im Ernste daran, daß auch Habsburg dem jüngeren 
Hause Hohenzollern freiwillig die Kaiserkrone anbieten werde? 
35 Mit dieser Fragestellung ist gekennzeichnet, wie unklar im Erkennen, 
wie haltlos im Entschließen der König sich in dieser schwierigen Zeit erwies. 
Etnhart.
	        
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