310 38. Tic Wohlfahrtsbestrebungen des 19. Jahrhunderts.
Kreisen herab das Verlangen nach einer möglichst weitgehenden
Bildung rege machen. Diesem Verlangen konnten sich die
Fürsten und Regierungen nicht entziehen, zumal Männer auf¬
getreten waren, welche die Wege gezeigt hatten, die man betreten
mußte, um jedem Einzelnen im Volke die Wohlthat des Unter¬
richts und der Erziehung zu teil werden zu lassen. Schon im
18. Jahrhuudert hatte die Volksschule sich immer weiter ent¬
wickelt, nachdem der edle Rochow zu Reckau in Brandenburg,
der „Vater der Dorfschule", gezeigt hatte, wie im Volke Teil¬
nahme und Liebe für die Schule erweckt werden könne. Männer
wie Basedow, Campe, Salzmann, Gutsmuths, wirkten
dafür, daß der Jugend das Lernen erleichtert wurde, daß die
Zucht in der Schule sich milder gestaltete, nnd daß nicht bloß
mehr eine Menge von unerklärten Bibel- und Gesangbnchversen
den Unterrichtsstoff bildeten, sondern auch gemeinnützige Kennt¬
nisse aus Naturkunde, Geographie und Geschichte für die Be¬
dürfnisse des alltäglichen Lebens Berücksichtigung fanden. Aber
der Mann, welcher den gewaltigsten Einfluß aus die Hebung des
deutschen Volksschulweseus ausübte, war der Schweizer Joh.
Heinr. Pestalozzi, gest. 1826. Dieser hatte voll brünstiger
Liebe zu der Jugend sein Leben der Aufgabe gewidmet, gerade
die armen und verlassenen Kinder des Volkes, die Waisen und
Hilfsbedürftigen, zu belehren und zu erziehen. Seine segensreiche
Thätigkeit, die zunächst in der Schweiz eine Reihe von Er¬
ziehungsanstalten hervorrief, fand besonders in Deutschland und
vor allcii Dingen in Preußen begeisterten Beifall. Friedr.
Wilh. III. schrieb 1808: „Zwar haben wir an Flächenranm
verloren; zwar ist der Staat an äußerer Macht und äußerem
Glanze gesunken; aber wir wollen und müssen sorgen, daß wir
an innerer Macht und an innerem Glanze gewinnen. Und des¬
halb ist es mein ernstlicher Wille, daß dem Volksnnterricht die
größte Aufmerksamkeit gewidmet werde." Eine große Anzahl
junger Männer wurde aus alleu Provinzen Preußens nach der
Schweiz gesandt, um hier in Pestalozzis Geist erzogen zu werden
und dann als Lehrer in ihrem Vaterlande diesen Geist, den Geist
der allmächtigen Liebe zu dem armen, verlassenen Volke, lebendig