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Herr versendet, ist der Mensch bei seiner Geburt. Die Insel, wo
er anlandet, ist die Welt. Die Einwohner, welche ihm freudig ent⸗
gegenkommen, sind die Eltern, die für den nackten Weinenden
sorgen. Der Vezier, der ihn von dem traurigen Schicksale, das
ihm bevorsteht, unterrichtet, ist die Weisheit. Das Jahr seiner Re—
glerung ist der Lauf des menschlichen Lebens, und die wüste Insel,
wo er hingeführt wird, die künftige Welt. Die Arbeitsleute, die er
dorthin sendet, sind die guten Werke, die er während seines Lebens
verrichtet. Die Könige aber, welche vor ihm dahin gegangen sind,
ohne über das Ungluͤck, das ihnen drohte, nachzudenken, sind der
glößte Teil der Menschen, die sich bloß mit irdischen Freuden be—
schäftigen, ohne an ihr Leben nach dem Tode zu denken; sie werden
mit Mangel und Elend gestraft, weil sie vor dem Throne des Alu—
mãächtigen mit Händen erscheinen, die an guten Werken leer sind
94. Da Amen der Steĩimne.
(Th. Kosegarten.)
Vom Alter blind, fuhr Beda dennoch fort
Zu predigen die neue frohe Botschast
An seines Führers Hand, der fromme Greis,
UInd predigte das Wort mit Jünglingsfeuer.
Einst leifet ihn sein Knabe in ein Thal,
Das ubersast war wit gewaltgen Steiven.
Leichtsinvig mehr als boshaft sprach der Knabe:
„Ehrwürd'ger Vater, viele Menschen sind
Versammelt hier und warten auf die Predigt.“
Der blinde Greis erhob siceh alsobalô,
Wahlt einen Text, erklürt ihn, wandt' ihn an,
Prmahnte, warnte, strafte, trõstete
So herzlich, dass die Thränen mildiglieh
Ihm niederflossen in den grauen Bart.
Als er besehliessend drauf das Vaterunser,
Wie sieh's geziemt, gebetet und gesprochen:
„Dein ist das Reieh und dein die Kraft und dein
Die Herrlichkeit bis in die Ewigkeiten —
Da riesen rings im Thal viel tausencd Stimmen:
Amen, ehrwurd'ger Vater, Amen, Amen!“
Der Knab' erschrak; reumutig kniet' er nieder
Und beichtete dem Héeiligen die Sunde.
Sohn,“ spraeh der Greis, „hast du denn nieht gelesen;
Wenn Menschen schweigen, werden die Steine schreien?