38 Zweiter Abschnitt: Erzählungen aus den deutschen Götter- und Heldensagen.
Wenn in dem wilden forste
Sich Brünn' auf Brünne drängt,
Den Feind, vom Stahl getroffen,
Die Schildesmaid umfängt,
Dann töne hin zum Meere
ITiit Schwert- und Schildesklang
Dir, hoher Gott, zur Ehre
Wie Sturmwind unser Sang!
Wodans Gattin ist Frigga oder Freya. Sie ist die Mutter der
Götter, die Beschützerin des Ehebundes. Der Freitag ist nach ihr benannt.
Die Nornen oder Schicksalsschwestern bestimmen das Schicksal
der sterblichen Menschen und verkündigen es durch den Mund der Sehe-
rinnen, die Alraunen genannt werden. Sie spinnen Fäden für die
Neugeborenen, härene und feiölte, etliche von Gold und einen, der un-
zerreißbar ist und Leid bedeutet. Leid begleitet den Menschen von der
Wiege bis zum Grabe. Nie ist seine Zusriedeuheit, nie sein Glück voll-
kommen. Die Nornen verfolgen den Verbrecher, wohin er sich auch
wenden mag. Ahnungsreichen Seelen zeigen sie die Zukunft. Drei gibt
es dieser dunkeln Schicksalsspinnerinnen: Urd = Vergangenheit, Wer-
dandi = Gegenwart, Sknld = Zukunft.
Die Walküren bestimmen den Ausgang des Kampfes. Angeführt
von Freya im Federkleide, schweben sie auf Wolkenrossen über dem
Schlachtfelde und gewähren Sieg oder ruhmvollen Tod.
Ostara ist die Göttin des aufsteigenden Lichtes. Wenn der Früh-
ling ins Land zog, wurde ihr Fest gefeiert. Das in manchen Gegenden
Deutschlands noch heute übliche Anzünden der Osterfeuer auf Bergen
und Hügeln ist altgermanischen Ursprungs.
Frau Holle oder Hulda, die Holde, führt die Aufsicht über den
Feldbau.
Die Gebirge dachten sich unsre Vorfahren von Zwergen und Riesen,
die Luft von Elfen oder Elben, das Wasser von Nixen bewohnt und
beschützt.
II. Deutsche Keldensagen.
1. Die Nibelungensage. Zu Worms am Rhein herrschten einst
drei Könige der Burgundern Gunter, Gernot und Giselher. Sie
hatten eine Schwester mit Namen Kriemhilde. Sie war wegen ihrer
Anmut und Schönheit weithin berühmt.
Zur selben Zeit wohnte zu Xanten am Niederrhein der Königssohn
Siegfried. Dieser hatte sich durch seine Kraft und Kühnheit großen
Ruhm erworben. Als Jüngling tötete er einen Drachen und badete
sich in dessen Blute. Dadurch bekam er eine undurchdringliche Horn-
haut am ganzen Körper, die ihn unverwundbar machte. Nur an einer
Schulter hatte er eine verwundbare Stelle. Diese war nämlich von