Full text: Lesebuch für die mittlere und obere Stufe (Teil 3, [Schülerband])

8. Gesundheit ist ein großer Schatz. 
„Bist du denn wirklich so arm?“ sprach der Lehrer, „du stehst ja 
in voller Gesundheit vor mir. Diese Hand,“ fuhr er fort, in— 
dem er seine Rechte ergriff, — „kräftig und geschickt zur Arbeit, 
— würdest du sie wohl um tausend Thaler dir abuehmen lassen?“ 
„Bewahre mich Gott,“ sprach der Jüngling, „wie könnte mir 
das einfallen!“ „Und deine Augen,“ fuhr der Lehrer fort, „die 
so fr in Gottes schöne Welt hineinschauen, um wie viel Geld 
würt dn sie wohl hingeben? Und dein Gehör, durch das der 
Gesan- der Vögel, die Stimme deiner Freunde zu dir dringt, 
würdesr du es wohl um die Schätze eines Königs vertauschen?“ 
„Gewiß nicht,“ antwortete der Jüngling. „Nun denn,“ versetzte 
der Lehrer, „so klage nicht, daß du arm bist; du hast Güter, die 
alles Geld überwiegen.“ 
r3 
8. Gesundheit ist ein großer Schatz. 
Kunz ging einmal über Land und kam matt und verdrossen 
bei einem Wirtshause an, wo er sich einen Krug Bier und ein 
Stück schwarzes Brot geben ließ. Er war unzufrieden, daß er 
seine Reise zu Fuße machen mußte und nichts Besseres bezahlen 
konnte. 
Kurz darauf kam ein schöner Wagen gerollt, in dem ein reicher 
Mann saß, der sich ein Stück kalten Braten und eine Flasche Wein 
reichen ließ, das er in seinem Wagen verzehrte. 
Kunz sah ihm verdrießlich zu und dachte: „Wer es doch auch 
so gut hätte!“ 
Der Reiche merkte es und sagte zu ihm: „Hättest du wohl 
Lust, mit mir zu tauschen?“ 
„Das versteht sich,“ antwortete Kunz, ohne sich lange zu be— 
denken; „steige der Herr heraus und gebe mir alles, was er hat! 
Ich will ihm auch alles geben, was ich habe.“ 
Sogleich befahl der Reiche seinen Bedienten, daß sie ihn aus 
dem Wagen heben sollten. Gott, welcher Anblick! Seine Füße 
waren gelähmt; er konnte nicht stehen, sondern mußte sich von 
seinen Bedienten so lange halten lassen, bis die Krücken herbei— 
gebracht wurden, auf die er sich stützte. „He!“ fragte er, „hast 
du noch Lust, mit mir zu tauschen?“ 
„Bei Gott nicht!“ gab der erschrockene Kunz zur Antwort. 
„Meine Beine sind mir lieber, als tausend Pferdefüße. Ich will
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.