Full text: [Teil 5 (Oberstufe, 2. Abteilung), [Schülerband]] (Teil 5 (Oberstufe, 2. Abteilung), [Schülerband])

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Heim, der viel weggab, aber auch viel einnahm, hatte eine große 
Summe durch ein Handlungshaus, das zahlungsunfähig wurde, ver— 
loren. Hufeland bezeigte ihm einige Tage nachher seine Teilnahme. 
„Es ist mir nicht lieb“, antwortete er, „daß Sie mich daran erinnern; 
ich habe es gottlob unter den Füßen.“ — „Wie haben Sie das 
gemacht?“ — „So wie ich es zu machen pflege, wenn ich mir selbst 
nicht helfen kann; und das konnte ich hier nicht. Ich konnte die wider— 
wärtige Sache gar nicht vergessen; ich dachte Tag und Nacht daran. 
Das schöne Geld, so mühsam erworben, nun auf einmal verloren! 
Verwünscht! Selbst meine armen, unschuldigen Kranken litten 
darunter; denn ich war immer zerstreut. Auch zu Hause hatte ich 
keine Freude mehr. Meine gute Frau, sonst immer so heiter, ließ 
selbst bei Tische, wo der Mensch sich doch erholen soll, den Kopf 
hängen; wir saßen stumm und verdrießlich einander gegenüber, 
und unsere sonst so fröhlichen Kinder sahen uns schüchtern an. So 
konnte und durfte es nicht bleiben; das fühlte ich wohl. Das 
schöne Geld war einmal weg, und mit ihm hatten wir verloren 
das erste Gut des Lebens, die Zufriedenheit. Ich armer Erden— 
wurm, unfähig, aus dieser Not herauszukommen, nahm meine 
Zuflucht zum Allmächtigen. Ich eilte auf mein Schlafzimmer, 
schloß die Thür hinter mir zu und bat auf meinen Knieen recht 
inbrünstig, daß mir Kraft und Mut, Freudigkeit und Ruhe wieder— 
gegeben würde. Da war es mir, als wenn der liebe Gott er— 
schiene und t mir spräche: Du bist eines armen Predigers 
Sohn, und 5 habe dich gesegnet in deinem Berufe wie in deinem 
Hause, so daß du ein gemachter Mann bist. Eine Reihe von 
Jahren habe ich dich spielen lassen mit dem Gelde, das du nun 
verloren hast. Nun, Heim, sei kein dummer Junge und höre auf 
zu winseln; sonst komme ich dir noch ganz anders. Ich habe die 
Schlüssel zu allen Geldkasten und kann dir den Verlust hinlänglich 
ersetzen. Darum sei guten Muts und gieb mir deine Hand 
darauf, daß du wieder fröhlich deinem Berufe leben willst! Das 
habe ich versprochen. Weib und Kind sind auch wieder heiter. 
Ich habe die Sache vergessen; sie ist unter den Füßen, und ich bin 
nun wieder vergnügt in meinem Gott. Das thut und vermag ein 
Gebet, wenn es ernstlich ist. Und nun lassen Sie uns von etwas 
anderm sprechen.“ 
Der ehrliche, fromme, gemütliche Heim hatte nicht Zeit, krank 
zu werden, und wurde, immer thätig, sehr alt. Sein Jubiläum
	        
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