Full text: [Teil 5 (Oberstufe, 2. Abteilung), [Schülerband]] (Teil 5 (Oberstufe, 2. Abteilung), [Schülerband])

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waren stolz darauf, ihre Söhne und Angehörigen im heiligen Kampfe 
zu wissen. Viele überschätzten ihre Kräfte, mußten zurückgewiesen werden 
und trauerten, nicht mitstreiten zu können. Selbst die Stumpfsinnigsten 
und Furchtsamsten wurden hingerissen. Nicht minder zeigte sich das 
weibliche Geschlecht der großen Sache würdig. Von der Zeitströmung 
ergriffen, kämpften sogar einzelne Jungfrauen als Soldaten im 
Befreiungskriege mit. Die Namen einer Prochaska, einer Charlotte 
Krüger sind unter verschiedenen Beispielen die bekanntesten. Die sich 
zu solchem Außersten nicht entschließen mochten, wirkten mit Aufbietung 
aller ihrer Kräfte arbeitend für die Sache des Vaterlandes. Jeder 
Ort wurde zur kriegerischen Werkstatt, das ganze Land zum Kriegs— 
lager. Was die freien Staaten des Altertumes, was Rom und Sparta 
an Vaterlandsliebe aufzuweisen hatten, es übertrifft nicht das erhabene 
Gefühl, das Preußen jetzt durchglühte. Die Flammen dieser Begeisterung 
stiegen höher und höher auf zu einer Riesenlohe, daß ganz Europa 
sich daran erwärmte. Nicht anders, als wenn von jedem Hügel 
Alarm geblasen, der Generalmarsch auf den Straßen geschlagen würde, 
auf den Bergen die Feuerzeichen gebrannt hätten, rafften sich alle auf 
und griffen zu den Waffen. Immer von neuem klang der laute Ruf 
durchs Land: „Das Vaterland ist in Gefahr!“ 
Daß in Preußen jeder nur irgend kampffähige Mann mit Begeisterung 
zu den Waffen griff, war nur die eine Seite der großen Leistung. Die 
andere, eben so große war, daß alle willig Hab' und Gut opferten, 
um so große Heeresmassen auszurüsten und zu ernähren, und daß 
alles Thun und Treiben nur auf diesen großen Zweck gerichtet war. 
„Große Opfer werden von allen Ständen gefordert werden“, hatte 
der König gesagt. Der Staat war arm und konnte nichts geben. 
Deshalb trug das Land zunächst freiwillig die Naturalverpflegung 
aller Truppen. Es stellte ohne Bezahlung die vielen tausend Pferde 
für die Artillerie, die Reiterei und die Gepäckwagen. Es rüstete zwei— 
undfünfzig Reservebataillone aus; es errichtete drei neue Reiterregimenter. 
Es bildete endlich die Landwehr ganz auf eigene Kosten. Dies alles 
mußte durch Ausschreibungen geregelt werden; allein einesteils 
wurde die Leistung dadurch etwas verspätet, andernteils waren ganze 
Gegenden so in Not geraten, daß sie beim besten Willen nichts zu geben 
vermochten. Um schnell und nachdrücklich zu helfen, waren Beiträge 
von vaterlandsliebenden Bürgern daher höchst wünschenswert. 
Es muß zur Ehre des Volkes gesagt werden, daß der Drang 
zum Geben gleichen Schritt hielt mit der Freudigkeit, persönlich in den 
Berlinisches Lesebuch. Oberstufe I. 
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