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ausfindig machen können, sich von ihnen zu befreien, obgleich der König dem,
der ein solches fände, ganze Klumpen Goldes zur Belohnung versprochen hatte.
Da die Fremden dieses hörten, sagten sie dem Könige, daß sie ein Tier
mitgebracht hͤtten, welches alle diese Ratten und Mäuse töten würde, und
holten darauf die Katze her. Diese richtete eine schreckliche Niederlage unter
den Maͤusen an, und in einer halben Stunde war im ganzen Zimmer keine
einzige mehr zu sehen oder zu hören.
Der Koönig war sehr erfreut, diese befchwerlichen Gäste los geworden zu
sein, und da er unermeßliche Reichtümer hatte, so gab er für die Katze einige
Tonnen Goldes hin. Das Schiff eilte darauf nach London zurück. Der
Kaufmann hatte kaum gehört, wie viel Gold die Katze eingebracht, als er
Whiltingtvn zu sich kommen ließ, ihm sein Glück erzählte und ihm versicherte,
daß alles ihm allein gehören sollte. Er ließ ihn darauf die Handlung erlernen,
und da der junge Mensch fortfuhr, treu, fleißig und sparsam zu sein, so gab
er ihm, als er erwachsen war, seine einzige Tochter zur Ehe und setzte ihn
zum Erben aller seiner Güter ein. Joachim Heinrich Campe.
197. Der Solenhofer Knabe.
An der Altmühl, ungefähr eine Viertelstunde unterhalb Solenhofen, ist
eine Glashütte im Gang. Das Holz zu den Ofen kann leicht über die jähen
Bergwände herabgelassen werden, und der reine, zuckerweiße Sand findet sich
da und dort in Nestern, einen oder wenige Schuh unter dem Rasen.
Ehe man aber anfing, diesen Sand in Glas zu verwandeln, bestreuten
oder scheuerten schon die Hausfrauen in der Umgegend ihre Stubenböden,
Tische, Bänke, hölzernen Geschirre u. s. w. damit und kauften ihn von Weibern,
die ihn bei Solenhofen gruben und in kleinen Säckchen zum Verkauf in die
umliegenden Orte trugen.
In der ältesten Zeit befaßte sich eine Zeitlang nur ein einziges Weib mit
diesem beschwerlichen Handel, bei welchem sie oft über fünfzig Pfund auf dem
Rucken aus und nur ein paar Heller in der Tasche dafür heimtrug. Es war
ine Wine in milllerem Aller, und sie hatte einen Knaben von zwölf Jahren,
dar im Sommer die Ziegen des Orts hülete und im Winter mit seiner Mutter
in den unterirdischen Felsklüften Sandnester aufsuchte und ausbeutete, wenn man
vor Schnee und Eis in den Boden kommen konnte.
Enmal in einem besonders harten Winter wollte es den guten Leuten gar
nicht gelingen. Lange war der Boden bald so fest gefroren und bald so hoch
mil Schnee bedeckt, daß sie gar nicht zu ihrer unterirdischen Nahrungsquelle ge—
langen konnten. Der kleine Vorrat von Sand, den sie sich im Herbste ge—
graben hatten, ging zu Ende und mit ihm das Brot, das sie sich für die er—
lösten Pfennige aus den benachbarten Orten mitzunehmen pflegten. An den
Sommerseiten der Berge, wo die Februarsonne die dünneren Schneeschichten
weggeleckt hatte, fingen sie nun an zu schürfen, aber überall vergebens und ohne
Erfolg. Ihre Werkzeuge zerbrachen, und sie hatten noch kein weißes Sandkorn
gefunden. Dazu ging das Futter für die Ziegen auf die Neige, und in der
Hutte waren nun vier Geschöpfe, denen der Hunger aus den Augen sah. Das
enzige, was sie noch unter sich teilen konnten, war eine Kufe mit eingestampften
Ruben und weißem Kohl, und auch diese stritten schon mit der Verwesung,
weil sie nur wenig gesalzen waren. Die Ziegen erhielten ihren Anteil roh,
die er aus der Kufe kam, die Portionen für sich und ihren Knaben kochte die