Full text: Lesebuch für die Oberstufe der evangelischen Volksschulen des Herzogtums Oldenburg

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der Offnung des kleinen Kegels schwebt, rötet sich, rötet sich heißer, glühender, brennen⸗ 
der. Ein breiler FRammenstrahl fährt sausend, zischend, rollend empor; ein Haufen 
heißer Sleine und MHe sleigt funkelnd über das Feuer hinaus in die Nacht und fällt 
tings auf den kleinen Kegel nieder, wo die Feuerbälle verdampfen und langsam erkalten. 
In Zwischenräumen von etwa zehn Minuten wiederholt sich immer dasselbe Schauspiel. 
Bis zum Jahre 79n. Chr. wußte man nichts davon, daß der Vesuv ein Vulkan 
sei, keine Kunde von irgend einem Ausbruche desselben war vorhanden. Sein Abhang 
waͤr mit fruchtbaren Feldern bedeckt, und an seinem Fuße blühten die Stãädte Herkulaneum, 
Pompeji und Stabiä. Aber im Jahre 79n, Chr. unter der Regierung des Kaisers 
Titus, halte der Vesuv den ersten geschichtlich bekannten Ausbruch, über welchen uns ein 
römischer Schriftsteller folgenden Bericht hinterlassen hat: 
„Man meldete meinem Oheim Plinius, dem Befehlshaber der Flotte von Misenum, 
es erscheine in den Lüften eine Wolke von ungeheurer Größe und auffallender Art. Er 
bestieg eine Anhöhe, um die Erscheinung besser beobachten zu können. In der Ferne er— 
hob sich die Wolke — später erfuhr man, daß sie vom Vesuv aufstieg — ähnlich einem 
hoch in die Asle aufstrebenden Baume, jedoch am meisten einer Pinie; denn sie erhob 
sich wie ein langer Stamm in die Höhe und teilte sich dann in Äste, die sich schirmartig 
ausbreitelen. Sie erschien bald weiß, bald unrein und dunkel und gefleckt. Plinius 
konnte als Naturforscher der Versuchung nicht widerstehen, das große Ereignis in der 
Nähe zu beobachten, ließ Schiffe bemannen, steuerte auf die Gesahr los in geradester 
Richtung ohne alle Furcht und verzeichnete jede Bewegung und Gestalt des Natur⸗ 
ungeheuers in seine Schreibtafel. Bald aber fiel Aschenregen mit Bimssteinen und andern 
vom Feuer schwarz gebrannten Steinbrocken auf die Schiffe. An eine Landung war 
nicht mehr zu denken, sie steuerten daher nach dem Hafen von Stabiä. Man sah aus 
dem Berge Vesuv an mehreren Orten breite Flammen und hohe Feuer hervorbrechen, 
deren Schein und Glanz durch die Finsternis der Nacht erhöht wurden. Die schwarze 
und furchtbare Wolke, durch gewundene und geschwungene Feuerströme zerrissen, spaltete 
sich in lange Flammengestalten, ähnlich den Blitzen, doch größer. Pünius kehrte bei 
einem Freunde ein, suchte ihn zu beruhigen, nahm ein Bad und setzte sich zu Tisch, hielt 
nachdem auch noch Mittagscuhe. Aber der Hof, durch den man in das Zimmer des 
Plinius trat, war schon so mit Asche und Bimssteinen exfüllt, daß ihm, hätte er länger 
gezögert, der Ausgang würde versperrt gewesen sein. Man weckte ihn, und er berat— 
schlagte mit dem wach gebliebenen Freunde, ob sie im Hause bleiben oder ins Freie 
gehen sollten. Denn die Häuser wurden durch öftere und gewaltige Erdstöße dermaßen 
erschüttert, daß sie gleichsam aus ihrem Grunde gehoben und hin und her geworfen zu 
werden schienen. Unter freiem Himmel mußte man sich dagegen vor dem Herabfallen 
der Steine fürchten. Sie beschlossen endlich, das Freie zu suchen, und banden sich Kissen 
auf die Köpfe zum Schutze gegen die niederfallenden Steine. Schon war die Zeit des 
Tagesanbruchs dorüber, aber hier herrschte die schwärzeste Nacht, nur erhellt durch Feuer⸗ 
säulen und Flammen aller Art. Das Meer war nicht zu befahren; es war schaurig 
und wild, so als ob es sich selbst verschlange und durch das Erdbeben zurückgedrängt 
würde. Das Ufer war tief ins Meer hineingedrängt und lag voll Seetiere, die trocken 
auf dem Sande zurückgeblieben waren. Ein Schwefelgeruch verbreitete sich. Plinius 
legte sich auf ein ausgebreitetes Tuch auf die Erde, — alles floh. Er wachte auf, und zwei 
treue zurũckgebliebene Sklaven stützten ihn; aber sogleich sank er tot wieder nieder, der 
dicke dn hatte ihn erstickt Drei Tage später wurde es wieder Tag; man fand ihn, 
einem Schlafenden, nicht einem Toten gleich“ 
ASchon mehrere Tage vor dem Nusbruche,“ erzählt an einer andern Stelle jener 
Schriststeller, hatten verschiedene Erdstöße slatigefunden, die aber wenig beachtet wurden, 
da sie in Campanien sehr gewöhnlich sind; in der Nacht aber nach dem Ausbruch waren 
sie so heftig, daß sie gänzliche Zerstörung zu drohen schlenen. Am nächsten Morgen war 
das Licht ußerst matt, und die Gebäude schwankten noch immer. Die Wagen, in welchen 
wir die Stadt verlassen hatten, rollten auf dem erschütterten Erdboden hin und her. 
Eine furchtbare, schwarze Wolke leuchtete oft von Flammen, welche Blitzen glichen. Bald 
darauf schien sich die Wolke zu senken und das ganze Meer zu bedecken, und wirklich 
entzog sie die nächstgelegenen Punkte unseren vdnn Achenregen begann auf uns 
herab ufallen, und als ich mich umwandte, bemerkte ich hinter uns einen dicken Rauch, 
der wie ein reißender Strom dahinrollte. Wir wichen von der Straße auf die Felder 
aus, um nicht im Gewühl erdrückt zu werden; aber kaum hatten wir das getan, so um— 
gab uns eine Finsternis, die nicht mit der einer mondlosen Nacht im Freien sondern 
nur mit der in einem verschlossenen Zimmer ohne Licht verglichen werden kann. Man 
hörte nichts als das Geschrei von Kindern, das Jammern von Weibern und das Rufen
	        
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