Full text: Lesebuch für die Oberstufe der evangelischen Volksschulen des Herzogtums Oldenburg

429 
In den nächsten Jahrhunderten, besonders unter Heinrich J. und Otto L. 
mehrte sich die Zahl der Burgen, weil man des Schutzes gegen Magyaren und 
Wenden bedurften Alle diese ältesten Burgbauten waren sehr einfach. Man 
baute zunächst ein quadratisches Gebäude von Stein, den Bergfried, den letzten 
Zufluchlsort bei Angriffen. Dann zog man eine Mauer, den Zingel“. Das 
Feld zwischen Bergfried und Zingel nannte man den Zwinger“. In diesem 
errichtete man die nötigsten Gebäude, die eng und dürftig waren; nur die Ge⸗ 
mächer für Frauen und Kinder hatten Kamine zum Heizen, deshalb werden sie 
Kemenaten genannt. 
Unter den fränkischen und staufischen Kaisern stieg die Zahl der Burgen sehr; 
denn auch die kleinen Herren suchten ihre Unabhängigkeit hinter Mauern und 
Türmen zu behaupten. Und je mehr die Macht der Kaiser sank und infolgedessen 
die Fehdelust der Ritter wuchs, desto größer wurde die Zahl der großen und 
kleinen Burgen, und desto besser lernte man sie befestigen. 
Unzähug sind daher die Burgruinen, die Deutschlands Berge heute noch 
schmücken. In Thüringen sind noch die Ruinen von mehr als sechzig Raubburgen, 
die Rudolf von Habsburg einst zerstörte, erhalten. Südlich und nördlich vom 
Westerwalde sind fast alle Bergkegel von Ruinen bedeckt; ebenso zieren diese 
malerisch die Rhein- und Moselufer. Nirgends aber liegen sie so nahe an— 
einander wie im Wasgenwalde, dem eigentlichen Burgenlande des Mittelalters. 
In dem berg⸗ uͤnd hügelreichen Mittel- und Süddeutschland baute man 
nur Hbhenburgen, in der Ebene Niederdeutschlands vorzugsweise Wasserburgen. 
Eine solche Wasserburg war z. B. auch die Oldenburg, die an der Stelle er— 
baut war, wo Hunte und Haaren zufammentrafen Die Wasserburgen waren 
geraäumige, meist viereckige Gebäude mit dicken Rundtürmen an den Ecken und 
lings von tiefen und breiten Wassergräben umgeben, über die eine Zugbrücke in 
den Burgraum führte. Manchmal waren sie auch inmitten eines Sumpfes er— 
baut, durch den ein Dammweg bis zur Zugbrücke aufgeschüttet war. Von solchen 
Wasserburgen sind nur verhältnismäßig wenig Spuren erhalten. 
Die Höhenburgen waren weniger geräumig. Der geringe Umfang eines 
Felsen bedingte, daß die Burggebäude auf so wenig Raum als möglich beschränkt 
wurden. Wer auch die kleinste Burg mußte eine Umfassungsmauer, den Berg— 
fried, den Palas für die Männer, die Kemenate für die Frauen und eine Küche 
enthalten. Da sich nun diese drei letztgenannten Räume in den verschiednen 
Geschossen des Bergfrieds anbringen ließen, so war zu der einfachsten Burg nichts 
weiter als eine Ringmauer und der Bergfried nötig. Hatte dieser nicht zu ebener 
Erde, sondern einen Stock höher seinen Eingang, so trat man zuerst in die Kühe, 
von welcher in den dicken Wänden eine schmale Treppe in das Obergeschoß führte, 
während an andern Stellen tiefe Schränke und Bettstellen in den Mauern an— 
gebracht waren. Noch eine Treppe höher lag die Kemenate mit einem großen 
Ofen, einer Bettstelle und mehreren Wandschränken, darüber der Trinksaal oder 
Palas mit einem Kamin und vielen Fenstern. Vom Palas aus führte eine hölzerne 
Treppe in den obersten Raum des Turmes, wo Knappen und Wächter hausten. 
Das Erdgeschoß enthielt gewöhnlich einen Brunnen und ward außerdem als Keller, 
wohl auch als Gefängnis benutzt. Mangelte zu größern Wirtschaftsgebäuden der 
Raum, so waren die notdürftigsten Ställe an der Umfassungsmauer angebracht. 
Zuweilen waren einzelne Teile der Burg in den Felsen gehauen. 
Das Leben in Burgen dieser Art, zumal in abgelegenen Gegenden, ist 
ohne Zweifel das ganze Mittelalter hindurch ärmlich und öde gewesen, nur wenig 
berschieden von dem der Bauern, die dem Rilter zins- oder dienstpflichtig
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.