Stimme des Ausrufers. Schrecklich klang dieser Ruf Herrn Hermann drüben
im Stübchen, und mit jedem Niederfallen des Hammers fuhr es ihm wie ein
Schwert durchs Herz. Er saß, den Kopf in die Hand gestützt, tiefsinnig am
Fenster und starrte das Schild seines Nachbars, des Wirtes zum Westindien—
fahrer, an, als wollte er es mit den Augen festnageln. Die gute Frau Elisabeth
aber saß am Ofen, die rotgeweinten Augen zur Erde gewendet, die Hände ge—
faltet und fest zusammengepreßt, während die beiden jungen Knaben, unbeküm—
mert um alles, mit der großen Angorakatze spielten. Fritz, der älteste, aber
hielt den quer vor der Tür liegenden zottigen Boll, den Haushund, bei beiden
Ohren fest, als dieser auf ein Anklopfen an die Tür knurrend aufspringen
wollte, und sagte begütigend: „Sei nur still, ich leid's nicht, daß sie dich ver—
kaufen.“ Vorsichtig über den Hund wegschreitend, trat Stephan, der Ratsdiener,
herein, ein gutmütiger Alter, der in besseren Zeiten oft mit freundlichem Bück—
linge Herrn Hermann die Tür des Ratssaales geöffnet hatte, und sagte mit vor
Mitleid zitternder Stimme: „Herr Senator, den Lehnstuhl soll ich holen.“
Da wendete Herr Hermann den Blick und sprach seuzfend: „Ach, das ist das
Härteste; doch dein Wille, o Gott, geschehel“ Es war der mit grünem Sammet
beschlagene Lehnsessel des seligen alten Herrn, worin er sanft verschieden war,
nachdem er noch den väterlichen Segen erteilt hatte, bis dahin als unberühr—
bares Heiligtum im Hause gehalten.
Hinaus ward der Sessel getragen, und ihm folgte mechanisch die ganze
Familie nach, als könnte sie sich nicht davon trennen, Fritz mit dem Boll vor⸗
aus: Der Auktionator rief: „Nr. 120, ein noch guter Lehnsessel, mit Sammet
beschlagen!·“ — und eine lange Pause folgte, da sich aller Blicke nach der
jammernden Familie gewandt hatten. Endlich rief die schnarrende Stimme
eines dicken Fleischers: „Vier Mark!“ — „Also vier Mark zum ersten,“ rief
der Auktionator mißmütig. In diesem Augenblick riß sich der schon feit einigen
Minuten unruhig schnüffelnde Boll von Fritz los und sprang wie besessen
freudig bellend vors Haus, und zum offenstehenden Fenster herein rief eine
starke Baßstimme: „40 Mark zum ersten!“ Augenblicks darauf trat hastig ins
Zimmer ein vor Eile glühender Mann mit sonnenverbranntem Gesicht, in
Schiffertracht, begleitet vom wedelnden Boll, und wiederholte mit Donnerslimme:
„400 Mark zum andern, zum dritten und zum letzten Male!“ und schlug mit
seinem spanischen Rohr dergestalt auf den Tisch, daß des Auktionators Papiere
umherflogen und dieser, wie die ganze Menge, zusammenschrak. „Herr Gott,“
unser Jansen!“ rief Herr Hermann und fiel ihm um den Hals; der aber fuhr
fort: „Ja, ich bin's; unser Schiff liegt voll Goldbarren und Waren im Hafen;
aus ist die Auktion! nun fort ihr allel“ Da schwenkte er das Rohr über
den Köpfen hin. „Morgen kommt aufs Rathaus, da soll alles samt Interessen
bezahlt werden; denn wissen sollt ihr: unser alter Herr Gott lebt noch; unser
gutes Haus steht noch, und die Firma Hermann Gruit van Steen floriert noch!
Und nun erst seid freudig gegrüßt in der Heimat, mein Herr Hermann und
Frau Elisabeth, von Euerm alten Jansen!“ Karl Varth. (Erz. für die Jugend.)
89. Einem treuen Knechte.
1. Das ist der Acker, den du pflügtest, 2. Es ging hinaus zum lust'gen Heuen,
das ist die Saat, die du gesät, es kam die Ernte segenschwer,
da du dir selber nie genügtest ich kann mich nimmer drüber freuen,
für mich zu schaffen früh und spät. weil du dich freuest nimmermehr.