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3. Die Mutterhand.
1. Ins Krankenhaus mit müdem Schritt
Laut seufzend eine Mutter tritt.
2. Mit zagendem Mund in zitterndem Ton
Begehrt sie zu schauen den einzigen Sohn.
3. Den haben die Träger hergebracht
Mit klaffender Wunde aus dröhnender Schlacht.
4. Vom feindlichen Blei als stürmender Held
Ward er getroffen im blutigen Feld.
5. Und die ihn geboren im fernen Tal,
Nicht länger ertrug sie der Ahnung Qual.
6. Es zog sie aus des Dörfleins Ruh
Ihr Herz der Jammerstätte zu.
7. Nun fleht sie zum Wärter: „O wehrt mir's nicht
Und zeigt mir des Teuern Angesicht.
8. Was Ihr gebietet, es soll geschehn;
Nur gönnt mir das schmerzliche Wiedersehn!“
9. Und wie sie bittet ohne Rast,
Ein Rühren den ernsten Hüter faßt.
10. „So folgt mir,“ spricht er mit mildem Wort,
„Doch rat' ich Euch, schweigt am Lager dortl“
11. Bedächtig treten die beiden ein.
Es spielt um die Kissen der Abendschein.
12. Im Traum zum wechselnden Kampfgewog'
Des Dulders irrer Sinn entflog.
13. Nun stöhnt er und greift im Fieberschlaf
Zur Brust, wo die tückische Kugel traf.
14. Da legt behutsam, weich und warm
Sich eine Hand auf seinen Arm.
15. Und sieh, verklärt von süßem Glück,
Kehrt schlummernd er sein Haupt zurück.
16. Genommen scheint ihm alle Pein,
Und leise flüstert er: „Mütterlein!“
17. Beim andern Morgengrauen schlief
Zum erstenmal er still und tief.
18. O Mutterliebe, du Wundermacht,
Noch keiner hat dich ausgedacht!
Chr. Schmitt.