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harren einige mit der allergrößten Gemütsruhe in kopfhängerischer
Stellung am baumelnden Fichtenzapfen, um die Schuppen zu spalten
und den Samen herauszuklauben, während andere spielen oder mit—
einander schäkern und leise zwitschern. Die gesättigten unter ihnen
sitzen wie aufrechtstehende kirschrote oder maigrüne Tannenzapfen be⸗
wegungslos auf den braunen Ästen. Hin und wieder steigt ein Männchen
flatternd über die saftgrünen Kronentriebe empor, schwirrend hält es
sich im Fluge auf ein und derselben Stelle, wobei es seinen angenehmen,
zwitschernden Gesang leise vorträgt und dann langsam schwebend wie—
der auf seine alte Sitzstelle zurückkehrt. Die unten Sitzenden rufen
aber als echt gesellige Vögel, um die Gesellschaft zusammen—
zuhalten, fleißig ihr Göb! Göb! aus, während andere mit ihrem
Gip! Gip! antworteten; ähnlich wie eine Truppe wandernder
Schwanzmeisen.
Doch wähne nicht, diese merkwürdigen Kreuzschnabelgesellschaften
überall in den Tannenwäldern Mitteldeutschlands antreffen zu können.
Sie gehören den nordischen Waldungen von Rußland und Schweden
sowie den Bergwäldern der Schweiz, Tirols usw. an und erscheinen
nur in regellosen Zwischenräumen in Deutschlands Wäldern, dann
aber oft in ungezählten Scharen.
Ob tiefer Schneefall im Norden oder sonst ein Grund die Kreuz—
schnäbel zur Auswanderung treibt, ist noch unbekannt. Es sind eben
Wander-⸗ und Wundervögel. Wundervögel, indem sie einzig in ihrer
Art von dem Samen der Nadelhölzer leben; Wundervögel, indem sie
im Leben dem Schnee und Eis des Nordens trotzen und tot noch auf
viele Jahre der Verwesung widerstehen, wenn die Schmeißfliegen nur
abgehalten werden. Letzteres beruht in dem Harzgehalt ihrer Nahrung.
Wundervögel sind sie auch darin, daß sie gegen alle Regel nicht im
lachenden Frühling, sondern im eisbärtigen Dezember und Januar
ihr warmes, dichtes Nest bauen.
Diese ganz regelwidrige Brutzeit wird vorzüglich durch die Fülle
des reifenden Nadelholzsamens bedingt. Sobald das erste, lichtblaue
Eilein ins kunstreiche Nest gelegt ist, verläßt das Weibchen dasselbe
nicht mehr, offenbar, um das zarte Ei vor strenger Winterkälte zu
schützen. Während der Brutzeit wird das Weibchen eifrig vom Männ—
chen gefüttert. Die wegen des Winterfrostes gleich mit dichtem, schwarz⸗
grauem Flaum aus den Eiern schlüpfenden Jungen werden von den
Alten gewärmt und so lange im Neste mit ausgeklaubtem Nadelholz-
samen gefüttert, bis sich die Schnabelkiefer hinreichend gehärtet und
gehörig gekreuzt haben.
Die Kreuzschnäbel verfügen über eine staunenswerte Hebelkraft bei
den Seitenbewegungen des Kopfes und der gekreuzten Kiefer. Mein