Full text: Lesebuch für die Oberklassen der katholischen Volksschulen Niedersachsens

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förster, zur Jagd abzuholen, und nahm meinen Weg durch den anstoßenden 
Park und Hochwald. In der Vähe einiger prächtiger Eichen angekommen, 
hörte ich das eifrige Hämmern eines großen Buntspechtes am dürren 
Ast eines der hochragenden Waldriesen. Kaum sehe ich den schönen 
Vogel, fliegt er schon im nächsten Augenblick ganz erschreckt von dannen. 
Gleichzeitig fällt Schnee und wieder Schnee hoch oben aus den Ästen 
herab. — Wirklich, ein Eichhörnchen setzt in rasender Eile mit weiten 
Sprüngen von Ast zu Ast durch die winterkahlen Waldbäume, und hinter— 
drein folgt, wie der Windhund dem Hasen, ein blitzschneller Edelmarder 
seiner flüchtigen Beute. Von Baum zu Baum, von Ast zu Ast, dann von 
den äußersten Zweigen flieht es mit kühnen, flugartigen Sprüngen, die 
breite Schweiffahne langgestreckt, auf die schwankenden Zweige des nächsten 
Baumes. Ein grausig⸗prächtiges Schauspiel, diese wilde Jagd mit Hinder⸗ 
nissen hoch oben in den Baumkronen des Hochwaldes, daß die Wipfel 
und Iste schwankten und der Schnee von den zitternden Zweigen herab⸗ 
kollerte. Immer toller wurde die Hetzijagd, der ich eiligst folgte. Pfeil⸗ 
schnell floh das gehetzte Eichhörnchen in mächtigen Sätzen, in wunder⸗ 
vollen Sprüngen. Jetzt stürzte es sich plötzlich mit kühnem Sprunge zur 
Erde, um schnell einen anderen Baum zu erklettern; jetzt wieder ein 
schwindelerregendes Jagen durch die schwankenden Wipfel; jetzt ebenso 
schnell den Riesenstamm heruntergestürzt, um dem Marder, wie der gehetzte 
Hhase vor dem Jagdhund, einen Haken zu schlagen, da der Edelmarder 
nicht so schnell stammabwärts klettern kann, wie das windschnelle Eich⸗ 
hörnchen. Dicht hinterdrein folgt der hungrige Räuber. Die Stahlkraft 
seiner Sehnen kennt kein Erschlaffen, sein Blutdurst keine Sättigung. End⸗ 
lich, von dem schwindelhaften Hetzen und Jagen ermattet, erlahmte des 
verfolgten Eichhörnchens Sprungkraft. Da — mit mächtigem Satze ergriff 
der Edelmarder seine Beute. Im Nu war dem Eichhörnchen die Halsader 
zerbissen, und auf einem dicken Ast sich niederduckend, suchte der 
Sieger seinen heißen Durst in dem hervorquellenden Blute seines Opfers 
zu stillen. Diesen Augenblick hatte ich erwartet. Schon beim Beobachten 
der Hetzjagd hatte ich zwei schwere Hasenschrot⸗Patronen in den Hinter⸗ 
lader eingesetzt. Der Kolben lag an der Backe. Endlich wurden Kopf und 
Brust des Raubtieres sichtbar. Ein scharfer Knall dröhnte durch den Wald. 
Der Edelmarder sprang flink herum, ließ das Eichhörnchen herabfallen 
und suchte am Hauptstamm emporzuklimmen. Sofort sandte ich dem braunen 
Raubmörder den zweiten Gruß aus meiner Feuerspritze nach. Jetzt kollerte 
er durch das Geäste herab und fiel prasselnd auf Schnee und Waldlaub. 
Es war ein herrliches altes Exemplar.
	        
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