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D. Die Heimatflur im Jahreslaufe.
sie sich zum Teil wieder in Wasser. Nach Sonnenuntergang und
während der Nacht verliert die Erde viel von der Wärme, welche sie den
Tag über von der Sonne empfangen hat. Besonders dann, wenn der
Himmel klar und sternenhell ist, strahlt Wärme aus, wie man sagt; die
Wolken bilden gleichsam einen Schirm und halten sie bei der Erde zurück.
Mit der Erde erkaltet auch die Luft, vorzüglich die Luftschicht, welche
mit ihr in Berührung steht. Die erkaltete Luft ist nun nicht mehr im—
stande, alle Wasserdünste festzuhalten, welche sie in sich aufgenommen hat.
Ein Teil dieser Wasserdünste scheidet aus und wird wieder zu Wasser.
Ganz ähnlich wie die kalten Fensterscheiben eines geheizten, mit Dünsten
angefüllten Zimmers gar bald beschlagen, so werden nun auch die
Gegenstände auf der Erde mit feinen Wassertröpfchen bedeckt, haupt—
sächlich die dünnen, spitzen Grasblätter, aus denen die Wärme am
leichtesten ausstrahlen konnte.
Der Tau ist eine große Wohltat Gottes. Ohne ihn würden
viele heiße Länder, in denen es selten regnet, für Menschen und Tiere
unbewohnbar sein, weil alle Pflanzen aus Mangel an Feuchtigkeit ver—
dorren müßten. Aber auch bei uns würden die zarten Gewächse die an—
haltende Hitze des Sommers wohl schwerlich ertragen können, wenn Gott
ihnen nicht den Tau schickte, um sie in der Nacht zu erquicken und zu laben.
Und ist es nicht eine weise Einrichtung des gütigen Gottes, daß der
Tau dahin am reichlichsten fällt, wo er am nötigsten ist? Auf eine
Wiese oder auf ein Kleefeld kommt bei weitem mehr Tau als auf ein
gleich großes Stück Feld, das nicht mit Pflanzen bewachsen ist. Viele
Millionen Pflänzchen wachsen auf Feld und Wiese, und jedes erhält
seinen Teil von dem Tau, der in der Nacht fällt; keines geht leer aus.
Sogar jedes Blättchen, jedes Fäserchen erhält das Tröpfchen, welches es
zu seiner Erquickung bedarf. Und wie einfach ist das Mittel, durch
welches Gott so Wunderbares tut! Er läßt die Sonne scheinen; es wird
warm, und das Wasser verdunstet. Er läßt die Sonne nicht scheinen;
es wird kalt, und der Dunst verwandelt sich wieder in Wasser.
Fie' Lesebuch.
116. Der Bauer und sein Sohn.
1. Der Bauer steht vor seinem Feld
und zieht die Stirne kraus in Falten:
„Ich hab' den Acker wohl bestellt,
auf reine Aussaat streng gehalten;
nun seh mir eins das Unkraut an!
Das hat der böse Feind getan.“