Full text: Lehr- und Lesebuch für die Oberstufe in Volksschulen

— 46 — 
Ein stürmt der Feind mit Brand und Mord, der in der Nacht 
erstieg den Wall, vom Schwerte fällt der junge Lord, hält in der Hand 
noch den Krystall, das zersprungene Glück von Edenhall. 
Am Morgen irrt der Schenk allein, der Greis, in der zerstörten 
Hall, er sucht des Herrn verbrannt Gebein, er sucht im grausen Trüm— 
merfall die Scherben des Glücks von Edenhall. 
„Die Steinwand“ — spricht er — „springt zu Stück, die hohe 
Säule muß zu Fall; Glas ist der Erde Stolz und Glück, in Splitter 
fällt der Erdenball einst gleich dem Glücke vön Edenhall.“ 
1. a) Rütsel. 
(Fr. v. Schiller.) 
Kennst du das Bild auf zartem Grunde? Gs giebt sich selber Licht und Glanz. 
Ein andres ist's zu jeder Stunde, und immer ist es frisch und ganz. 
Im engsten Raum ist's ausgeführet, der kleinste Rahmen faßt es ein; 
Doch alle Größe, die dich rühret, kennst du durch dieses Bild allein. 
Und kannst du den Krystall mir nennen? Ihm gleicht an Wert kein Edelstein; 
Er leuchtet ohne je zu brennen; das ganze Weltall saugt er ein; 
Der Himmel selbst ist abgemalet in seinem wundervollen Ring, 
Und doch ist, was er von sich strahlet, noch schöner als was er empfing. 
71. b) Rãätsel. 
Es führt dich meilenweit von dannen und bleibt doch stets an seinem Ort. 
Es hat nicht Flügel auezuspannen und trägt dich durch die Lüfte fort. 
Es ist die allerschnellste Fähre, die jemals einen Wandrer trug, 
Und durch das größte aller Meere trägt es dich mit Gedankenflug; 
Ihm ist ein Augenblick genug. 
72. Der dankbare Wilde. 
(Feddersen.) 
Ein alter, rechtschaffener Geistlicher, der sich aus eigenem Antriebe 
nach Ostindien unter die Wilden begeben hatte, um sie baß er und glück— 
licher zu machen, erzählt folgende Begebenheit: 
„Einst gegen Abend kehrte ich mit meinen Hausgenossen von einem 
Spaziergange zurück; da hörten wir an der Offnuͤng eines Waldes einen 
kläglichen Ton, gingen ihm nach und fanden unter einem Baume einen 
Wilden, der alt und entkräftet auf sein Ende zu warten schien. An— 
fangs wollte er nicht mit uns reden. „Ach!“ sagte er endlich, „heute 
morgen, als der Himmel rot wurde, machte ich mich auf und hoffte nach 
meiner Heimat zu kommen; nun habe ich mich verirrt; es wird dunkel, 
ich bin müde und muß hier liegen bleiben. Hier werden Schlangen oder 
wilde Tiere oder meine Feinde meinem Leben ein Ende machenĩ Mein 
armes Weib! Meine armen Kinder!“ Uns jammerte seiner. Ich bat 
ihn mitzugehen. „Aber du kennst mich ja nicht!“ sagte er. „Ich brauche 
dich nicht zu kennen; komm nur mit!“ So führten wir ihn in meine 
Hütte. uenn er die nötige Stärkung zu sich genommen hatte, be— 
reitete ich ihm ein Lager dicht an meinem Bette, so daß wir nur eine 
dünne, leinene Wand zwischen uns hatten. Er legte sich hin. Mitten in 
der Nacht weckte mich ein Geräusch, als ob der Wilde von seinem Lager 
aufstünde. Ich erschrakf und horchte. Wie sehr aber that mein Schreck
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.