Full text: Deutscher Jugendfreund

236 
V. Aus der vaterländischen 
6. Die Diener laufen hin und her; 
der Kaiser röchelt tief und schwer. 
Und als der Tod ans Herze kam, 
da tönt's auf einmal wundersam: 
7. Die kleine Glocke, die lange verstummt, 
die Armensũnderglocke summt, 
und keine Glocke stimmet ein; 
sie summet fort und fort allein. 
8. Da heisst's in Speier und weit und breit: 
Wer wird denn wohl gerichtet heut? 
Wer mag der arme Sünder sein? 
Sagt an, wo ist der Rabenstein? 
Max von Oösr. 
157. (A. 16.) Der Graf von Habshurg. 
1. Zu Aachen in seiner Kaiserpracht 
im altertũmlichen Saale 
sals König Rudolfs heilige Macht 
beim festlichen Krönungsmahle. 
Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins, 
es schenkte der Böhme des perlenden Weins, 
und alle die Wãhler, die sieben, 
wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt, 
umstanden geschãftig den Herrscher der Welt, 
die Würde des Amtes zu üben. 
2. Und rings erfüllte den hohen Balkon 
das Volk in freud'gem Gedrãnge; 
laut mischte sich in der Posaunen Ton 
das jauchzende Rufen der Menge. 
Denn geendigt nach langem, verderblichem Streit 
war die kaiserlose, die schreckliche Zeit, 
und ein Richter war wieder auf Erden. 
Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer, 
nieht fürehtet der Schwache, der Friedliche mehr, 
des Mãchtigen Beute zu werden. 
3. Und der Kaiser ergreift den goldnen Pokal 
und spricht mit zufriedenen Blicken: 
„Wohl glänzet das Fest, wohl pranget das Mahl, 
mein königlich Herz zu entzücken; 
doeh den Sänger vermiss' ich, den Bringer der Lust, 
der mit sũssem Klang mir bewege die Brust 
und mit göltlich erhabenen Lehren.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.