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V. Aus der vaterländischen
6. Die Diener laufen hin und her;
der Kaiser röchelt tief und schwer.
Und als der Tod ans Herze kam,
da tönt's auf einmal wundersam:
7. Die kleine Glocke, die lange verstummt,
die Armensũnderglocke summt,
und keine Glocke stimmet ein;
sie summet fort und fort allein.
8. Da heisst's in Speier und weit und breit:
Wer wird denn wohl gerichtet heut?
Wer mag der arme Sünder sein?
Sagt an, wo ist der Rabenstein?
Max von Oösr.
157. (A. 16.) Der Graf von Habshurg.
1. Zu Aachen in seiner Kaiserpracht
im altertũmlichen Saale
sals König Rudolfs heilige Macht
beim festlichen Krönungsmahle.
Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins,
es schenkte der Böhme des perlenden Weins,
und alle die Wãhler, die sieben,
wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt,
umstanden geschãftig den Herrscher der Welt,
die Würde des Amtes zu üben.
2. Und rings erfüllte den hohen Balkon
das Volk in freud'gem Gedrãnge;
laut mischte sich in der Posaunen Ton
das jauchzende Rufen der Menge.
Denn geendigt nach langem, verderblichem Streit
war die kaiserlose, die schreckliche Zeit,
und ein Richter war wieder auf Erden.
Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer,
nieht fürehtet der Schwache, der Friedliche mehr,
des Mãchtigen Beute zu werden.
3. Und der Kaiser ergreift den goldnen Pokal
und spricht mit zufriedenen Blicken:
„Wohl glänzet das Fest, wohl pranget das Mahl,
mein königlich Herz zu entzücken;
doeh den Sänger vermiss' ich, den Bringer der Lust,
der mit sũssem Klang mir bewege die Brust
und mit göltlich erhabenen Lehren.