Full text: Lesebuch für die Oberstufe (Teil 3, [Schülerband])

E. Aus der Natur. 
und er riß mit Gewalt das Haupt aus der Spalte — da blieb ihm 
Haut und Haar des Gesichts bis zu den Ohren im Baume. 
Nein, kein kläglicher Tier hat jemand gesehen! Es rieselt' 
über die Ohren das Blut. Was half ihm, das Haupt zu befreien? 
Denn es blieben die Pfoten im Baume stecken; da riß er 
hastig sie ruckend heraus; er raste sinnlos, die Klauen 
und von den Füßen das Fell blieb in der klemmenden Spalte. 
Leider schmeckte dies nicht nach süßem Honig, wozu ihm 
Reineke Hoffnung gemacht; die Reise war übel geraten. 
Eine sorgliche Fahrt war Braunen geworden. Es blutet' 
ihm der Bart und die Füße dazu; er konnte nicht stehen, 
konnte nicht kriechen noch gehn. Und Rüsteviel eilte zu schlagen; 
alle fielen ihn an, die mit dem Meister gekommen. 
Ihn zu töten, war ihr Begehr; es führte der Pater 
einen langen Stab in der Hand und schlug ihn von ferne. 
Qümmerlich wandt' er sich hin und her — es drüngt' ihn der Haufen, 
einige hier mit Spießen, dort andre init Beilen; es brachte 
Hammer und Zange der Schmied; es kamen andre mit Schaufeln, 
andre mit Spaten; sie schlugen drauf los und riefen und schlugen. 
Alle setzten ihm zu; es blieb auch keiner dahinten. 
Der krummbeinige Schloppe mit dem breitnasigen Ludolf 
waren die schlimmsten, und Gerold bewegte den hölzernen Flegel 
zwischen den krummen Fingern; ihm stand sein Schwager zur Seite, 
Kückelrei war es, der Dicke — die beiden schlugen am meisten — 
und nicht diese Genannten allein; denn Männer und Weiber, 
alle liefen herzu und wollten das Leben des Bären. 
Nun sprang Rüsteviels Bruder hervor und schlug mit dem langen, 
dicken Knüttel den Bären aufs Haupt, daß Hören und Sehen 
ihm verging; doch fuhr er empor vom mächtigen Schlage. 
Rasend fuhr er unter die Weiber, die untereinander 
taumelten, fielen und schrieen, und einige stürzten ins Wasser. 
Alle ließen für tot den Bären liegen und eilten 
nach den Weibern ans Wasser; man zog aufs Trockne die fünfe. 
Da indessen die Männer am Ufer beschäftigt waren, 
kroch der Bär ins Wasser vor großem Elend und brummte 
vor entsetzlichem Weh. Er wollte sich lieber ersäufen, 
als die Schläge so schändlich erdulden. Er hatte zu schwimmen 
nie versucht und hoffte sogleich das Leben zu enden. 
Wider Vermuten fühlt' er sich schwimmen, und glücklich getragen 
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