2Q8 Kap. 166. Der lombardische Krieg. Friede von Villafranca.
6. Die Zeit von 1859 bis 1871.
Italiens und Deutschlands Neugestaltung.
Kap. 166. Der lombardische Krieg.
(1.) Zunächst that eine vom Kaiser selbst hervorgerufene Schrift der Welt
kund, daß ganz Italien seine Unabhängigkeit erhatten, aber zu einem Bundes-
staat unter dem Vorsitz des Papstes gemacht werden müsse. Rußland
brachte nun zwar einen Congreß der Großmächte zur Schlichtung der italie-
nischen Frage in Vorschlag; Oesterreich aber wollte sich einen Congreß nur
dann gefallen lassen, wenn man dabei auf dem Grund der Verträge von
1815 stehen bleibe. Daraus giengen jedoch die andern Mächte nicht ein, und
so sollte der Krieg entscheiden.
(2.) Diesen Krieg abzuwehren machte Oesterreich vergebliche Versuche; es
fand keinen Bundesgenossen, höchstens aufrichtig gute Wünsche in Süddeutsch-
land. Sein Ultimatum an Piemont wurde zurückgewiesen, und ehe man
sich'« versah, war ein Theil der französischen Armee über die Alpen gestiegen
und ein anderer Theil in Genua gelandet. — Jetzt erst überschritt auch
Oesterreich die piemontesische Grenze.
Die in Deutschland zunehmende Aufregung und Entrüstung suchten Rußland
und England durch ernste Mahnungen zu dämpfen, um einem allgemeinen
Kriege vorzubeugen. So stand Oesterreich allein im Kampfe. Die geringe
Zahl seiner Truppen in Italien, die wenig umsichtige Oberleitung derselben
und die Mangelhaftigkeit der Heerverpflegung zog ihm den Verlust der
1859 Schlacht bei Magenta (4. Juni) zu, worauf es sich genöthigt sah, sich bis
cm den Mincio zurückzuziehen. Damit war die Lombardei verloren, und
da Oesterreich seine Besatzungen auch aus Bologna, Ferrara und Ancona
zurückzog, so war auch Mittelitalien preisgegeben, und in Toscana, Parma,
Modena, Bologna :c. trat die Revolution ohne Scheu hervor.
Zwar wollten nun die Oesterreicher vom Mincio aus den Feind durch
einen verstärkten Angriff überraschen, wurden aber, ungeachtet ihrer unbestreit-
baren Tapferkeit, in der Schlacht bei Solserino (24. Juni) abermals be¬
siegt, und zogen sich auf ihr Festungsviereck zurück.
(3.) Inzwischen hatte sich die öffentliche Stimmung in Süddeutschland
für Oesterreich aufs lebhafteste gesteigert, und selbst Preußen begann ferne
Truppen zum Kriege in Bereitschaft zu setzen, zwar nicht um für Oesterreich
einzustehen, wohl aber, um die eigentlich deutschen Bundesgrenzen und die
Grundlage des europäischen Rechtsstandes zu wahren. Die Besorgmß, am
Rhein und Po zugleich kämpfen zu müssen, bewog daher den Kaiser V Jta-
holeon den Oesterreichern einen Waffenstillstand anzubieten, toöl)rerti)
dessen es ihm in einer persönlichen Zusammenkunft mit Kaiser Franz ^os epy
durch lügenhafte Vorspiegelungen gelang, die Friedenspräliminarien
von Villafranca (am 11. Juli) zu Stande zu bringen.