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aus, während der Gipfel an Last zunimmt, bis das Gewölbe unter ihm
ßt und ihn zum Hinabfallen zwingt. Ohne solche Zerstörung durch
gewaltige Naturkräfte würden sich die Eisfelder bald zu hohen Ge
hirgen erheben. Hier, wo man Stille und Tod ahnt, hört es nicht
auf zu donnern, zu toben und zu krachen. Aber so ist die Natur
da, wo sie ohne reges und thätiges Leben zu sein scheint, zeigt sie
sich am wirksamsten, schafft unaufhörlich neue Gestalten, und man
glaubt bei ihren Schöpfungen selbst gegenwärtig zu sein; da steigen
plötzlich Berge empor, dort sondern sich Thäler, — hier breiten sich
Meeresarme aus, da entstehen Höhlen und Türme. Man sieht unge—
heure Eispfeiler, glänzend wie Smaragd, schwebende Brücken, die eine
Zaubermacht erbaut zu haben scheint. Ganze Gegenden sind in Re⸗
genbogenfarben erleuchtet. — Die Eisgefilde werden von Seehunden
und Walrossen bewohnt, die im strengsten Winter auf dem Eise liegen
und ruhig schlafen. Da streicht der fürchterliche Eisbär umher, der
auf Schollen oft weite Reisen unternimmt. Wasservögel aller Art
durchschwärmen zu Tausenden die Luft. — Wenn man das Eis durch
Feuer in Wasser verwandelt, so ist es trinkbar; alle Salzteile sind
ausgeschieden; man findet es rein und durchsichtig, ob es gleich ge—
frorenes Meerwasser ist.
1. Hammerfest.
In einer Bucht der Walfischinsel an der Nordspitze Norwegen⸗
bemerkt man vom offenen Meere aus fünf bis sechs an die Felsen
wand gebaute Häuser, überragt von einem hölzernen Kirchturm. Dies ist
Hammerfest, die letzte Stadt im Norden. Sie ist größer, als man
auf den ersten Anblick glauben sollte; denn mehr als die Hälfte ihrer
Wohnungen liegt in einem Thale versteckt. Von dem felsigen Berge
an welchen die Häuser angebaut sind, kann man die ganze Stadt
mit ihren schönen Kaufmannshäusern, roten Magazinen und Fischer⸗
hütten übersehen. Hinter ihnen erblickt man den Hafen, der mit Barken
uͤnd Handelsfahrzeugen bedeckt ist, auf der einen Seite das weite
Meer, in der Ferne die hohen Gebirge mit ihren ausgezackten und
ewig beeisten Gipfeln.
Schon im Mittelalter war Hammerfest wegen seines Hafens
von den norwegischen Kaufleuten sehr geschätzt, und russische Fischer
trieben in den Buchten reichlichen Fischfang. Damals war es nur eint
Gruppe von Hütten; jetzt ist Hammerfest ein bedeutender Handelsplat
mit mehr als tausend Einwohnern, mit großen Magazinen und Wirts⸗
häusern, von Kaufleuten und Handwerkern bewohnt.