Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Elementarschulen in Elsaß-Lothringen

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Im Sommer herrscht in dieser kleinen Stadt ein äußerst reges 
Leben. Fast 200 Fahrzeuge, meist russische, sieht man in einigen Mo— 
naten ankommen. Sie bringen Mehl, Hanf, Getreide und allerlei 
Gerätschaften und nehmen Fische, Thran, Renntiere, Felle, Eider— 
dunen, Füchse und Erz als Ausfuhr mit fort. Sehr ärmlich erscheinen 
ueben diesen Fahrzeugen die Barken des Finnen, der dem Kaufmanne 
die Fische bringt, welche er mühsam in mehreren Monaten gefangen 
hat, um aus dem Erlös einen Teil seiner Schulden zu bezahlen. In 
den Magazinen erblickt man in dieser Zeit alle Arten von Trachten, 
hört man alle Sprachen des Nordens sprechen. Der Kaufmann ist 
sortwährend beschäftigt; denn jetzt ist die Zeit der Arbeit, und von 
den drei oder vier Monaten seiner Berechnungen und Schreibereien 
hängt der Erfolg des ganzen Jahres ab. Hier fertigt er Fahrzeuge 
nach Spitzbergen ab, dort Fischladungen nach Portugal. Nur am 
Abend gönnt er sich Ruhe und sucht Erholung im Familienkreise oder 
unter seinen Freunden. 
Der Himmel von Hammerfest ist selbst im Sommer fast immer 
mit Nebel und Wolken bedeckt. Sobald die wenigen schönen Tage im 
Hochsommer erscheinen, entsteht in der Stadt eine große Bewegung. 
eder will das so seltene, so eilig fliehende Schauspiel genießen. Aber 
die Tage der Erheiterung sind nur spärlich; ein dunkler Nebel ver— 
hüllt das Blau des Himmels, und der Frost beginnt mitten im schön⸗ 
sten Sommer. Bald verschwinden die fremden Schiffe eines nach dem 
andern, die Warenhäuser werden geschlossen, die Geschäfte hören auf, 
ulles wird still. 
Der Winter ist da! Und welch ein Winter! Nächte ohne Ende, 
ein schwarzer Himmel, ein gefrorener Erdboden. Zwölf Uhr des 
Mittags muß man im Monat Dezember sich ganz nahe ans Fenster 
sellen, um einige Zeilen zu lesen. Mehrere Wochen hindurch erscheint 
die Sonne am Himmel gar nicht mehr. Da muß von Morgen 
his Abend die Lampe angezündet werden. Die Post, die im Monate 
dreimal ankommen soll, erscheint nur noch in unbestimmten Zeiträumen, 
und so ist die Stadt jetzt wie eine Welt für sich, vom ganzen Erd— 
boden getrennt. Die armen Menschen suchen dann alle möglichen 
Nittel hervor, um sich zu zerstreuen, und versammeln sich des Abends 
bei Freunden und Verwandten zur Unterhaltung und zum Spiele. 
Eines ihrer größten Vergnügen besteht darin, mit Schneeschuhen aus 
dolz über die Felsen und Gebirge zu laufen. 
Gegen Ende Januar beginnen sie am Himmelssaume die ersten 
Lichtblike der Sonne zu suchen, welche sie so lange geflohen hat.
	        
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