Dann beginnt der Frühling auf die Berge hinaufzusteigen und
hier seinen Schmuck zu entfalten. Mitte Mai ist er oben und
belaubt die Buchen. Diese Region umfaßt die Frühlingsweiden
und die reich angebauten Thäler, durch welche die Straßen zu den
Pässen und Saumpfaden fuͤhren.
3. Zwischen 1600 und 2600 Meter, d. h, von der Grenze
des Baumwuchses bis zur Schneegrenze, dehnt sich die Region der
Mittelalpen wie ein grüner Guͤrtel um das Hochgebirge,
wie ein frischer Kranz um die Eis- und Schneehäupter. Sasft—
reiches Gras, die rraäftigften Futterkräuter und Blumen von den
glänzendsten Farben bedecken den Boden und bilden herrliche
Manen gies ist die grüne Alp, in Tirol auch Alm ge—
nannt. Hier weiden in den wenigen Sommermonaten die Senn—
hirten ihre zahlreichen Herden von Rindern, Schafen und Ziegen,
uͤnd hier betreiben sie ihre Alpenwirtschaft, deren Hauptzweig die
Käsebereitung ist. Eine Hütte aus Blöcken und rohen Steinen
enthall einen Raum zum Wohnen, Kochen und Schlafen, einen
andern für Käse und Butter, einen dritten unter dem Dache für
das Heu. Schwere Steine schützen das Dach bei Stürmen. In
der Rahe stehen Schuppen für das Vieh zur Zuflucht bei Un⸗
welter Es ist ein Fest, wenn der Senne mit der Herde auf die
Alp h Voran schreitet, mit Bändern geschmückt, der Senne
oder die Sennerin, es lut die bekraͤnzte Leitkuh mit der weithin
schallenden Almnglocke, der Handbub oder Sennbub und die fröh—
lich brüllende Herde. Jede Kuh hat ihren Namen, kennt die
Elimme des Hirken und des Buben und hört auf die Töne und
Weisen der Schalmei. Im September ziehen die Herden wieder
zu Thal. Es ist ein einsames Leben auf der Alm, aber Menschen
Und Tiere sind fröhlich. In der erhabenen Natur, der frischen,
freien Vergluft gehl das Herz auf, und der Leib stärkt sich. Der
Alpenwanderer ist stets ein willkommener Gast in der Sennhütte,
denn er bringt Neues aus dem Lande; nach einem einfachen Mahle
findet er ein duftendes Lager im Heu.
Diese Region ist auch die Heimat der Alpentiere. Hier lebt
die zierliche, kühne Gemse, der sehr selten gewordene Steinbock,
daßs'Muckmeltier, der Alpenhase; hier bauen die Adler
und Lämmergeier ihre Horste, sucht der Luchs und die
wilde Kahtze ein sicheres Versteck. Hier gilt es aber auch, den
Kampf gegen die Lawinen zu bestehen. und große Steinwälle,
hohe Waͤlder sind oft nur ein Schutz gegen ihre Gewalt.
Diese Schneestürze richten nicht sellen große Verheerungen an;
aber sie bringen auch zahllose Millionen Centner Schnee von den
Berghängen fort, dessen Schmelzen sonst nein den Sommer hin—
in dauern würde, und machen so dem neuen flanzenwuchse Raum.
Mn den Stellen, wo sich häufig Lawinen bilden, hat man Erd—