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sie dem Kurprinzen Friedrich vermählt, welcher seine erste Gemahlin,
Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel, mit der er in glücklichster
Ehe gelebt, ein Jahr vorher durch den Tod verloren hatte. Sophie
Charlotte glänzte ebenso durch körperliche Schönheit, wie durch
herrliche Geistesgaben. Lebhaft blickten ihre blauen Augen; das
schwarze, natürlich gekräuselte Haar stimmte vorzüglich zu der
reinen, hellen Farbe des Antlitzes. Würdevoll war ihr Anstand, an¬
mutig und alle Welt bezaubernd ihr Wesen. Eine sorgfältige Er¬
ziehung hatte die glückliche Veranlagung ihres Geistes und Gemütes
zur schönsten Blüte entfaltet. Sie verstand und sprach das Fran¬
zösische wie ihre Muttersprache, kannte und liebte die italienische
Sprache und deren Litteratur, interessierte sich für Naturwissenschaften,
war eine Freundin der Musik, aber auch von klarem Verständnis sür
die schwierigen Probleme der Philosophie. Ohne Wissenschaft und
Kunst erschien ihr das Dasein leer und öde.
Wenn ihr Gemahl Pracht und Glanz des Hofhaltes liebte und
ihr für Schönheit empfänglicher Sinn selbst zeitweise Wohlgefallen
daran fand, so zog sie sich doch, wenn eine lange Reihe glänzender
Feste sie ermüdet hatte, gern in das einsame und abgelegene Lützenburg
(Charlottenburg), ein Geschenk Friedrichs, zurück. Hier suhlte sie sich
frei von den strengen Formen der Etikette und konnte ihren wissen¬
schaftlichen Neigungen, der Musik uud der Natur leben; hier sammelte
sie eine Schar von Künstlern und Gelehrten um sich. In geistreicher
Unterhaltung mit bedeutenden Männern vergingen dann die Tage. Die
Kurfürstin las, studierte und musizierte, oder ließ sich von Künstlern
und Baumeistern, die für ihre Entwürfe ihre Protektion gewinnen
wollten, Vortrag halten. Manche Schöpfung der Baukunst, die nach¬
her Friedrichs Residenz schmückte, hat ihren Ursprung und ihre erste
Förderung am Hofe in Lützenburg gefunden. Heitere Feste und Zer¬
streuungen mancherlei Art, wie sie die Jahreszeit begünstigte, unter¬
brachen den Ernst der Stunden. Ursprünglich war Lützenburg ein
unscheinbares Landhaus. Bald aber dehnte sich um das Haus ein
großartig angelegter Park; das einfache Gebäude wurde durch die
Baumeister Schlüter und Eosander von Göthe zu einem prächtigen
Schlosse umgeschaffen. Kostbare Tapeten und Möbel und allerlei Zierat
aus edlem Metall oder dem teuren Porzellan, wie man ihn damals
liebte, schmückten die Zimmer, Bildsäulen und Marmorvasen, seltene
Blumen und südliche Gewächse, Orangen- und Lorbeerbäume den
herrlichen Garten. In den Laubengängen lustwandelten die Kava¬
liere neben den schönen Damen des Hofes, und die Gespräche sprudelten
von Witz und geistreichen Einfällen.
Eines der in Lützenburg gefeierten Feste (im Juli 1700) zeigte eine
lustige Maskerade. Die Bühne des Theatersaales war zu einem Jahr¬
markte hergerichtet. In den Buden gab es allerlei schöne Dinge, wie man
sie bei solcher Gelegenheit sucht, zu essen, zu trinken und — zu naschen.
Hier rief jemand saftige Würstchen aus, dort pries ein anderer seine
Limonade. Vor den Buden drängte sich das bunte Volk der Markt¬
leute, Bürger mit ihren Frauen und Töchtern, junge Stutzer, Bauern