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deutenden, geht vom Nahen zum Fernen, indem er die Betrachtung des Festlandes
mit Europa beginnt.
Dem er st engeographischen Unterricht inDeutschland begegnen
wir in den Lateinschulen der Reformation. Und zwar war es der Nürnberger
Schulrektor Johann Cochlaeus (1510—1514), der die Geographie als Lehrfach zur
Anerkennung brachte. Er stützte sich beim Unterricht allein auf die Schriften des
Altertums, benutzte aber zur Veranschaulichung schon die Landkarte und scheint
sogar bereits das Kartenzeichnen geübt zu haben.
Das erste Lehrbuch der Geographie in Deutschland hat zum
Verfasser den Jlfelder Rektor Michael Neander. Es erschien im Jahre 1582 und
erlebte in kurzer Aufeinanderfolge mehrere Auflagen. Zwar begann Neander, die
sklavische Abhängigkeit von den Alten abzustreifen; trotzdem fanden Kleinasien,
Griechenland und Italien noch mehr Beachtung als Deutschland. Während er sich
aber bei jenen auf die alten Klassiker stützen konnte, mußte bei Deutschland allein
die eigene Erfahrung aushelfen. Daher widmete er Orten ohne Bedeutung lange
Besprechungen, weil sie in irgend einer Beziehung zu seinem Lebensgange standen;
bei anderen begnügte er sich mit der Biographie der dort geborenen Gelehrten.
Überhaupt war ihm die Geographie in erster Lieme die dienende Magd „bei Er-
lernung der Geschichte und anderer Wissenschaften."
Die frühe st e Spur eines geographischen Unterrichts in der
Volksschule weist um 1590, wie schon früher angedeutet wurde, auf die Armen-
schule, welche mit dem Waisenhause in Darmstadt verbunden war. Unter den
Büchern, welche die Knaben dort zu bestimmter Stunde lesen sollten, wird auch
eine Kosmographie (wahrscheinlich ist die Sebastian Münsters gemeint) genannt.
Trotzdem fand die Geographie in den Schulen jener Zeit nur
selten einen Platz, selbst bei Sturm und Trotzendorf nicht. Das-religiöse
Interesse drängte das für weltliche Dinge in den Hintergrund, und die im Auf-
blühen begriffenen klassischen Studien ließen für den Betrieb der realen Wissen-
schasten keine Zeit. Wo man sie trieb, geschah es zudem in der Weise, daß man
die Stoffe zu rein gedächtnismäßiger Aufnahme darbot. Und das ist so geblieben
bis gegen das Ende des 17. Jahrhunderts, obgleich Baco von Verulam und
Michel de Montaigne schon vorher den Blick ihrer Zeitgenossen von den Alten
hinweg auf die Natur und die Gegenwart (Entdeckungen, Galilei, Kepler, Kopernikus)
gerichtet und Comenius im Anschluß an Baco nicht nur die bisherigen Fächer
im realen Sinne *) umgestaltet, sondern auch selbständigen Unterricht in den Realien
gefordert hatte. Ihre Stimmen verhallten ungehört in den Stürmen des Dreißig-
jährigen Krieges, die das gesamte Geistesleben und auch die Schulen hinwegfegten.
Für uns ist hier besonders von Wichtigkeit, wie Comenius seine Ansichten
auf die Geographie anwandte. Er verlangt erdkundlichen Unterricht nicht nur
in der Lateinschule, sondern auch schon in der Volks- und sogar in der Mutter-
schule. Seine Forderungen für die letzte sind bei der Besprechung der Heimat-
künde mitgeteilt worden. Vom geographischen Unterricht in der Volksschule sagt
er: „Desgleichen soll den Kindern das Wichtigste aus der Weltkunde mitgeteilt
werden, insbesondere von der Rundung des Himmels, von der Kugelgestalt der
i) „Mit realer Anschauung, mit Beobachtung der Sachen hat der Unterricht zu be-
ginnen; aus der Anschauung entwickelt sich das sichere Wissen."