Full text: [Teil 3 (6., 7. & 8. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 3 (6., 7. & 8. Schuljahr), [Schülerband])

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Einst saß er wieder vor der Hütte, und Alerxis, sein Enkel, 
der erst dreizehn Frühlinge gesehen hatte, stand mit seinen roten 
Wangen und goldenen Loͤcken allein neben ihm. Der Greis er— 
zählte ihm von der Freude, andern Gutes zu thun, und daß kein 
Vergnügen dem gleiche, welches man empfinde, wenn man eine 
gute That gethan habe. Dem schönen Knaben standen die 
Thränen im Auge. Mit inniger Freude sah sie der Greis und 
sprach, indem er ihm freundlich ins Auge sah: „Du weinst, mein 
Sohn! Aber gewiß, meine Worte allein vermochten nicht, dich so 
zu tühren; in deinem Herzen muß etwas sein, was ihnen diese 
Stärke gibt.“ — Alexis trocknete die Thränen von seinen Wangen, 
aber es quollen immer wieder neue hervor. „Ach,“ sagte er, „ich 
fühle es ganz: nichts ist süßer als anderen Gutes zu thun.“ 
Menalkas druͤckte gerührt die Hände des Knaben in die seinigen 
und sprach: „Auf deinem Gesichte, in deinen Augen lese ich es; 
dich rührt noch etwas Anderes als das, was ich dir sagte, und 
du willst es mir verhehlen, mein Alexis?“ — Alexis weinte noch 
stärker und sprach dann: „O, so will ich dir denn alles erzählen, 
was ich fest im Innersten meines Herzens verschließen wollte; 
denn du lehrtest uns: nur halb gut sei der, welcher mit dem 
Guten prahlt, das er vollbracht hat. Darum wollte ich ver— 
schweigen, was mich so süß empfinden läßt, daß Gutesthun die 
seligste Freude im Leben ist. Eins unserer Schafe hatte sich ver— 
irrt, und ich suchte es im Gebirge. Da hörte ich von ferne die 
Stimme eines jammernden Mannes. Ich schlich mich näher und 
sah, daß der Mann eine er Bürde von der Schulter nahm 
und sie auf den Boden niederlegte. Weiter, so sprach er, vermag 
ich nicht zu gehen. Mühselig ist mein Leben und kümmerliche 
Nahrung mein ganzer Gewinn. Stundenlang irre ich schon mit 
dieser Bürde in der Mittagshitze, und keine Quelle finde ich, um 
den brennenden Durst zu löschen; kein Baum, keine Staude bietet 
eine Frucht dar, welche mich erquicke. Um mich her sehe ich nur 
Wildnis; kein Fußpfad leilet mich heraus zu den Meinigen, und 
weiter können mich meine ermatteten Kniee nicht tragen. Doch, 
o Gott, ich will nicht murren; so oft hast du mir geholfen, sei 
auch heute mir gnädig! — So sprach er und streckte sich kraftlos 
neben seiner Last hin. Ich aber lief, von ihm unbemerkt, zu 
unserer Hütte, raffte einen Korb voll frischer und gedörrter Früchte 
zusammen, nahm meine größte Flasche voll Milch, eilte wieder 
ins Gebüsch zurück und stellte Korb und Flasche neben den Schlum— 
mernden. Bald erwachte dieser, sah auf seine Bürde und sprach: 
Wie süß ist die Erquickung des Schlafes! Nun will ich ver— 
suchen, dich weiter zu schleppen; vielleicht leitet der gütige Gott 
meine Schritte, daß ich bald das Rieseln einer Quelle höre oder 
eine Hütte finde, in welche der gastfreundliche Besitzer mich auf—
	        
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