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Dritter Teil. Unser Vaterland.
de, unbewohnte Gegend (z. B. Goslar, Uslar). Auch manche unserer
Fluß- und Bergnamen rühren von den Kelten her. So werden z. B.
Ceine (aginaha — Seefluß), Weser (wisaraha — Westfluß) als keltische
Namen angesehen. Auch der Name Khein ist keltischen Ursprungs.
3. Etwa ein Jahrtausend später als die Kelten wanderten die
Väter unseres Volkes, die Germanen, ins Land der Elbe, Weser
und Ems. Mit sich führten die Wandernden große Viehherden und
Wagen voll hab und Gut. An Aller, Leine und Weser trafen sie
auf einzelne keltische Niederlassungen. Aber die Germanen waren
stärker, unterwarfen die Kelten oder drängten sie weiter nach Westen
bis über den Rhein und nach Süden bis in die Alpenländer. Nun waren
die „Germanen“ die „Nachbarn“ der Kelten geworden.
Unermeßlich dehnte sich damals noch der wilde Wald, von keines
Menschen hand gepflegt. Mächtige Eichen, Buchen, Ulmen, Eschen, Ahorn
und Linden wuchsen darin in buntem Wechsel, und neben Keh, Hirsch
und Fuchs hausten dort Bären und Wölfe, Elentiere und Huerochsen;
auf sonnigen Blößen und grasreichen Triften weideten wilde Pferde,
und in den Eichengründen wühlten Scharen wilder Schweine. In
Tälern und Niederungen sammelte sich Wasser in reicher Fülle zu
Bächen und Flüssen; niemand dämmte sie ein und regelte ihren Lauf;
quer lagerte sich der alte, morsche Baumstamm ins Flußbett und
drängte das Wasser seitwärts. So entstanden Sümpfe, Flußarme
und Werder, wo Biber und Fischotter ihr Wesen trieben. Viele
Orts- und Flurnamen erzählen noch heute von dem Zustande unserer
heimat und unseres Vaterlandes zur Urzeit. Auf den Wald weisen
hin die Namen mit lah, loh, liet, hard, haar, wedel, holt, holz, horst,
strutt, stroht, wald, sowie diejenigen, worin die Namen unserer
Waldbäume vorkommen; auf die Tiere des Waldes die Namen mit
Bär, bar, Wolf, wulf, Eber, Biber, bever u. a.; auf den ausgerodeten
Wald die Namen mit rode, reut, rott, roth. Von Sumpfland,
Bruch und feuchter Niederung erzählen die Namen mit mar, mor,
mer, riede, ried, sol, seul, sõhl, siek, brook, bruch und von Fluß—
inseln werth und werder.
4. Die erste Bedingung für die feste Besiedelung war Wasser
zum Trinken und eine geeignete Flur für den Ackerbau. Im süd—
lichen Berglande folgten die Einwanderer gern dem Lauf der FSlüsse
und Bäche, deren Quellen sie suchten. Der Boden, die Enge der
Täler und der dichte Wald zwangen zur Anlage geschlossener
Ortschaften oder Dörfer, deren Gehöfte jedoch zerstreut und regel—
los nebeneinander lagen, da sich jeder da anbaute, wo es ihm gefiel.
Daher nannte man eine solche Ansiedlung turba, thorp, trup, dorp,
Dorf, d. i. Hhaufen. Städte kannten die Ansiedler nicht. Im nörd—
lichen Flachlande konnte man überall in geringer Tiefe das Grund—
wasser erschließen und Brunnen anlegen. Die Einwanderer konnten
sich also nach Belieben über das ganze Land verbreiten. Sie brauchten
mit dem Grund und Boden nicht zu kargen. Jede Familie suchte sich
daher eine besondere Siedelstätte, und es entstand im Flachlande