Full text: Lesebuch für die Oberstufe (Teil 4, [Schülerband])

Aus Schillers Leben. 
237 
4. „Die goldne Rette gib mir 
nicht; 
die Rette gib den Rittern, 
vor deren kühnem Angesicht 
der Feinde Lanzen splittern. 
Gib sie dem Ranzler, den du 
hast, 
und laß ihn noch die goldne Cast 
zu andern Casten tragen! 
5. Ich singe, wie der Vogel 
singt, 
der in den Zweigen wohnet; 
das Cied, das aus der Rehle 
dringt, 
ist Cohn, der reichlich lohnet. 
Doch darf ich bitten, bitt ich eins: 
laß mir den besten Becher Weins 
in purem Golde reichen!“ 
6. Er setzt' ihn an, er trank ihn aus: 
„O Trank voll süßer Labe! 
O wohl dem hochbeglückten Haus, 
wo das ist kleine Gabe! 
Ergeht's euch wohl, so denkt an mich, 
und danket Gott so warm, als ich 
für diesen Trunk euch danke!“ 
Wolfgang v. Goethe. 
194. Aus Schillers Leben. 
1. Johann Christoph Friedrich von Schiller wurde am 10. No— 
vember 1759 zu Marbach in Württemberg geboren, während sein Vater 
im Kriege war. Daher blieb das Kind anfangs unter der besondern Pflege 
seiner Mutter, einer sanften, frommen, gemütreichen Frau. Erst drei Jahre 
nach der Geburt des Knaben kehrte der Vater aus dem Kriege zurück. Er 
war ein strenger, ordnungsliebender, pflichttreuer Hauptmann, der in Hinsicht 
auf seine Redlichkeit und Gottesfurcht als Muster dienen konnte. 
Schon in früher Jugend war Fritz auf alles, was er lernen konnte, 
ungemein aufmerksam. Er hörte gern zu, wenn der Vater im Familien⸗ 
kreise vorlas, und eilte von seinen liebsten Spielen zu Bibelandacht und 
Gebet herbei. Mit den blauen Augen, den hochblonden Locken um die helle 
Stirn und den gefalteten Händchen war das Kind wie ein Engel anzu— 
schauen. So schilderte ihn die ältere Schwester, die er besonders liebte. 
Folgsamkeit und Nachsicht gegen Geschwister und Gespielen zeichneten schon 
den Knaben aus. Den mächtigsten Einfluß auf Gemüt und Geist übte bei 
ihm die Mutter aus. An Sonntagnachmittagen pflegte sie ihren beiden Kindern 
das Evangelium des Tages auszulegen; einst, am Ostermontage, rührte sie 
durch die Erzählung von Christus und den beiden nach Emmaus wandernden 
Jüngern die beiden Geschwister zu heißen Tränen. Oft unterhielt sie die 
Kinder auch mit Zaubermären und Feengeschichten; später, als es die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.