fullscreen: Die Zeit der Religionskämpfe und die Zeit der unumschränkten Fürstengewalt, Brandenburgisch-Preußische Geschichte (H. 3)

58 Zweite Periode der Neuzeit. — Die Zeit der unumschränkten Fürstengewalt. § 92 
§ 92. Zustände in Deutschland nach dem Dreißigjährigen Kriege. 
1. Staatliches Leben, a) Das Reich war, nachdem der Westfälische 
Friede die Unabhängigkeit der Fürsten anerkannt hatte, wenig mehr als 
'• ein bloßer Name. Auf dem Reichstage, der seit 1663 in Regensburg 
beständig tagte, erschienen die Reichsstände nicht mehr persönlich, sondern 
ließen sich durch Gesandte vertreten. „Reichsschlüsse" kamen, da der Ge- 
schäftsgang sehr schleppend war, nur mühsam zustande und wurden nicht 
immer gehalten. 
d) Die Fürsten steigerten ihre Gewalt zur Unumschränktheit, 
indem sie das Recht der Landstände unterdrückten; die stehenden Heere, 
die seit dem Kriege bleibende Staatseinrichtung wurden, verliehen ihnen 
die Macht dazu. Das Leben der meisten Höfe, auch ganz kleiner, war 
nach französischem Muster eingerichtet und verlief nach den Anordnungen 
des Fürsten in Festlichkeiten und Vergnügungen. Mehr als früher sou- 
derten sich diese Höfe von der bürgerlichen Gesellschaft ab. Dafür griff 
die Sitte Platz, bürgerliche Dichter oder Gelehrte von Bedeutung zu 
adeln. 
c) Die Untertanen solcher Fürsten klagten wohl über harte Ab- 
gaben und Willkür der Starken; im übrigen aber machte die Art der 
Regierung sie gleichgültig gegen staatliche und nationale Fragen. 
2. Gesellschaftliches Leben. Der Vergleich der zerrütteten heimischen 
Zustände mit denen der Nachbarländer, besonders Frankreichs, führte zur 
Nachahmung des Auslandes, und die eingerissene Verwilderung der 
Sitten barg sich hinter steifer Förmlichkeit. Nach Paris gingen die 
Söhne der Vornehmen, um „feine Lebensart" zu lernen; aus Paris 
kamen die „altmodischen" Trachten. Die einfache deutsche Art erschien 
als „altfränkisch". Vergebens erhoben ernste Geistliche und Schriftsteller 
gegen den „Franzosenteufel" ihre warnende (Stimme*):/ 
Die Stände, a) Der Adel, mit wichtigen Vorrechten ausgestattet 
— er war von Abgaben befreit und im Besitz der Hof- und Staatsämter —, 
bildete den herrschenden Stand. Zwar waren seine Reihen durch den Krieg 
sehr gelichtet, aber am kaiserlichen Hofe fand man sich gern bereit, für 
Geld den Adelstitel zu verleihen. Viele Adlige waren wirtschaftlich und 
sittlich heruntergekommen; solche pflegten als „Krippenreiter" (Schma¬ 
rotzer) ihre besser gestellten Standesgenossen zu belästigen. Auch in den 
Städten kaufte sich mancher, der etwas Vermögen gerettet oder erworben 
hatte, einen Adelsbrief und tat sich dann durch Vornehmtuerei hervor. 
b) Die Bürger. Wie der Adel gegen den Bürgerstand, so schlössen 
sich in den Städten die Gelehrten gegen die Ungelehrten ab, die Kauf- 
leute gegen die Handwerker, die Zünfte gegen Draußenstehende, die so- 
*) „Alamode-Kleider, Alamode-Sinnen; 
Wie sich's wandelt außen, wandelt sich's auch innen." 
(Friedrich v. Logau.)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.