Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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welche zu jeder Zeit des Jahres reiche Früchte lieferten, umgürteten 
im lieblichsten Wechsel den See wie die kostbare Einfassung einen 
köstlichen Edelstein. Gegen zwölfhundert Fischer fanden hier ihre Nah— 
rung; dritthalbhundert Fahrzeuge, Fischerkähne, Reisebarken, lustfah⸗ 
rende Gondeln und Lafsschiffe durchkreuzten den Wasserspiegel nach 
allen Richtungen und machten ihn zum gemeinsamen Tummelplatze 
aller umliegenden Städte und Dörfer. Hier war der heitere, ge— 
segnete Schauplatz der Wirksamkeit des Herrn. In Kapernaum hatte 
er seine Wohnung. Hier erlas er sich mit seinem durchdringenden 
Blicke und Geiste, der wohl wußte, was im Menschen war, aus der 
geschäftigen Menge die tüchtigsten feiner Apostel; hier und im ganzen 
Umkreise dieser Gestade warf der erhabene Menschenfischer unermüdet 
das Netz seiner herzgewinnenden Rede und seines holdfeligen Wesens 
aus, in den Schulen und Häusern, auf den blühenden Uferhügeln und 
vom Bord des Schiffes, vor dem Schmerzenslager der Kranken und 
vor den Schreckensklüften der Besessenen. 
Jetzt trauert die reizvolle Landschaft wie eine Witwe. Von Ka⸗ 
pernaum, „das bis an den Himmel erhoben war“, von Chorazin und 
Bethsaida t keine Spur zu finden. Die Wälder und Weingärten sind 
von den Hügeln verschwunden; Palmen⸗, Feigen- und Olivenbäume 
stehen nur noch vereinzelt umher; die Balsamstaude, welche vormals 
die feinsandigen, kiesreichen Ufer des Sees umgrünte, findet sich nir— 
gends mehr, und statt jener Hunderte von Fahrzeugen zieht jeßt ein 
einziges Boot mit weißem Segel von Zeit zu Zeit seine Furche durch 
den Spiegel des stillen Gewässers, um von dem östlichen Gestade 
Holz nach Tiberias herüberzuholen. An der Stelle der Fischer treibt 
nur noch der Pelikan sein einsames Geschäft, jener Wasservogel, den 
man in altchristlichen Bildwerken häufig dargestellt findet, wie er seine 
Brust aufreißt, um die Jungen mit seinem Herzblute zu tränken. 
Ferdinand Bäßler. 
225b. Nazareth. 
Ein jäher Hohlweg führte uns in den Felsenkessel hinab, in 
welchem Nazareth wie begraben liegt, und freundliche Christengesichter 
sahen uns aus allen Häufern neugierig an und grüßten uns mit einer 
gewissen Herzlichkeit und mit einer Miene, als wollten sie sagen: „Ihr 
dürft nicht denken, daß wir Moslim sind; wir sind Christen wie ihr; 
es wird euch bei uns gefallen.“ Wie wohl war uns, daß wir in der 
Stadt dessen, der nicht hatte, wohin er sein Haupt legte, in dem latei— 
nischen Kloster ein heimisches Ruheplätzchen und in dem Vorsteher des 
Klosters einen treuherzigen Tiroler fanden, mit dem sich in jeder Be⸗ 
ziehung deutsch reden ließ! Der folgende Tag war der Tag des Herrn; 
er brachte süße Ruhe für Leib und Seele— Nachdem wir alle die 
heiligen Orte gesehen hatten, welche die klösterliche Überlieferung auf— 
weist, eilten wir zur engen, winkeligen Stadt hinaus und die freien 
Berge hinan, die ja unbezweifelt diefelben waren wie damals, als der 
Herr hier wandelte. Eine große Anzahl nazarethischer Frauen und
	        
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