109
Er blickt hinauf in Himmelsau'n,
Da Heldenväter niederschau'n,
Und schwört mit stolzer Kampfeslust:
„Du Rhein bleibst deutsch wie meine Brust!
Lieb' Vaterland, ꝛc.
Und ob mein Herz im Tode bricht,
Wirst du doch drum ein Welscher nicht;
Reich, wie an Wasser deine Flut,
Ist Deutschland ja an Heldenblut.
Lieb' Vaterland, ꝛc.
So lang ein Tropfen Blut noch glüht,
Noch eine Faust den Degen zieht
Und noch ein Arm die Büchfe spannt,
Betritt kein Feind hier deinen Strand!“
Lieb' Vaterland, ꝛc.
Der Schwur erschallt, die Woge rinnt,
Die Fahnen flattern hoch im Wind:
Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!
Wir alle wollen Hüter sein!
Lieb' Vaterland, ꝛc.
3. Der Rheinstrom.
G. D. Klendelssohn.
Das germanische Europa. Berlin 1836. S. 124.
Der Deutsche mag wohl auf seinen Rheinstrom stolz sein! Nicht
auf seine Größe, — ville andere Ströme, selbst europäische, über—
treffen ihn weit an Länge, Breite, Wasserfülle, an Ausdehnung ihres
Gebiets, — nit einem aber ist ein so edles Ebenmaß beschieden, so
richtige Verhältnnge, so vollständige Eutwicklung, — nicht einer sieht
an seinen Ufern auf gleiche Weise Kunst und Natur, geschichtliche Er—
innerung und lebendige Gegenwart vereint.
In den mächtigen Alpen hangen an himmelhohen Felsgipfeln mehr
als dreihundert Gletscher, welche dem Rhein ihre vollen, tobenden
Gewässer zusenden. Wo sie aus dem Gebirge hervortreten, da beruhigen
und läutern sich diese ungestümen Alpensöhne in etwa fünfzehn der
Pößten und hönsten Seeen. Lrystallhelle Fluten entströmen diesen
Seeen in raschein, doch schon ri igerem Lauf. Bald in einem Bette
bermischt, wogen sie mächtig und friedlich dahin, durch lachende Fluren,
au stattlichen Schlössern, hohen Domen, kunstreichen, belebten Städten
borbei, denen sie reiche Lasten zuführen. Hohe Waldgebirge winken
—J aus blauer Ferne, spiegeln sich dann in dem herrlichen Strom,
is er die weite, schraukenlose Ebene betritt und nun dem Schoße
des Meeres zueilt, ihm mächtige Wasserspenden zu bringen und sich
hafür in seinem Gebiet ein neues Land zu erbauei.