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25. Graf Richard kam zu Fuß daher,
ging neben seinem Pferde;
das trug des Riesen schwere
Wehr,
den Harnisch samt dem Schwerte
„Wer suchen will im wilden
Tann,
manch Waffenstück noch finden
kann;
ist mir zu viel gewesen.“
26. Der Graf Garin tät ferne schon
den Schild des Riesen schwingen.
„Der hat den Schild, des ist
die Kron',
der wird das Kleinod bringen!“
„Den Schild hab' ich, ihr lieben
Herrn!
Das Kleinod hätt' ich gar zu
gern,
doch das ist ausgebrochen.“
27. Zuletzt tät man Herrn Milon
sehn,
der nach dem Schlosse lenkte;
er ließ das Rößlein langsam
gehn,
das Haupt er traurig senkte.
Roland ritt hinterm Vater her
und trug ihm seinen starken
Speer
zusamt dem festen Schilde.
28. Doch wie sie kamen vor das
Schloß
und zu den Herrn geritten,
macht' er von Vaters Schilde
los
die Zierat in der Mitten;
das Riesenkleinod setzt' er ein,
das gab so wunderklaren
Schein
als wie die liebe Sonne.
29. Und als nun diese helle Glut
im Schilde Milons brannte,
da rief der König frohgemut:
„Heil Milon von Anglante!
Der hat den Riesen übermannt,
ihm abgeschlagen Haupt und
Hand,
das Kleinod ihm entrissen.“
30. Herr Milon hatte sich gewandt,
sah staunend all die Helle:
„Roland, sag' an, du junger
Fant!
Wer gab dir das, Geselle?“
„Um Gott, Herr Vater, zürnt
mir nicht,
daß ich erschlug den groben
Wicht,
derweil Ihr eben schliefet!“
Ludwig Uhland.
234. Rolandsage.
1. Wie Kaiser Karl zum erstenmal im Lande der Mauren
weilte.
Als Kaiser Karl gegen die Mauren zog, hatte er in seinem Heere
zwölf stolze Helden, die waren die Tapfersten in der Christenheit. Der
beste unter diesen aber war der Neffe Karls, der kühne Roland.
Roland trug an seiner rechten Hüfte ein Horn aus Elfenbein, das
hieß Olifant. Wenn er den Olifant blies, scholl der Ton weit in alle