Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

177 
finden Pflanzen und Tiere außer dem unentbehrlichen Wasser auch 
noch Schutz gegen die furchtbaren Wüstenwinde. Ein üppiger Pflanzen— 
wuchs erfreut in der Dase das in der nackten Einöde von ewigem 
Sonnenglanz ermüdete Auge des Wanderers. Unter und zwischen den 
Dattelpalmen wachsen oft Granaten und Orangen, und Durra und 
Gerste werden gezogen, wo nur ihr Anbau möglich ist. Mit kluger 
Sparsamkeit errichten die Dasenbewoͤhner ihre Hütlen auf unfruchtbaren 
Boden am Saume der Wüste, um auch keinen Fuß brei ergiebiger 
Erde zu verlieren. Die weiten Sandflächen, wo höchstens nur arm— 
selige halb verdorrte Gewächse gedeihen, bilden den vollkommenften 
Gegensatz zu den grünenden Inseln der Wüste. Einsamkeit und Tod 
herrschen in diesen schrecklichen Wildnissen. Mit dem Wassermangel, 
der die nackte Einöde erzeugt, hängt übrigens eine eigentümlche 
Schönheit der Wüste zusammen, die herrliche Klarheit der Luft und 
ihre überraschende Durchsichtigkeit, welche meilenweit abseits gelegene 
Erhöhungen nur wenige Kilometer entfernt erscheinen läßt. Die Her— 
stellung von Wegezeichen macht aus diesem Grunde nur geringe 
Schwierigkeiten, ein Steinhäufchen, unter Umständen sogar der Unter— 
liefer eines Kamelskeletts genügen, um den Karawanent) als weithin 
sichtbares Ziel zu dienen. Höchst selten versteckt sich die Sonne in der regenlosen 
Wüste hinter dichtes Gewoͤlk, meist sendet sie ihre erwärmenden Strahlen von 
einem liefblauen, vollkommen klaren Himmel herab. Ist sie am purpur— 
gefärbten westlichen Horizont verschwunden, und steigt die volle Mondscheibe 
herauf, so liegt die Wüste fast taghell vor dem überraschten Beschauer da. 
Hat sich der Himmel mit Sternen bedeckt, so haftet das Auge unwillkürlich 
an dem dunkeln, mit tausend glänzenden Punkten übersäeten Gewölbe. 
Für den einsamen Reisenden ist diese nackte Wildnis dennoch nicht 
ohne Reiz. Über seinem Haupte ein Himmel, schrecklich in feinem 
blendenden Glanze, rings umher zusammengewehte Sandhaufen, auf 
welchen jeder Windhauch seine Spuren zurückläßt, nackte Felsen und 
weite ununterbrochene Ebenen, die man mit dem Gedanken durcheilt, daß 
das Bersten eines Wasserschlauchs oder das Lahmwerden eines Kamels 
ein Todesurteil wäre, ein fürchterliches Land, von wilden Tieren 
und noch wilderen Menschen bewohnt. Deshalb schlägt des Menschen 
Herz höher bei dem Gedanken, seine winzige Kraft gegen die riesige 
Gewalt der Wüste zu messen und als Sieger aus dem Kampfe hervor 
u gehn, und daher kommt es, daß trotz aller Entbehrungen und Müh— 
m die er erduldet haben mag, der Reisende, der einmal durch 
die Wüste wanderte, sich ihrer stets mit Sehnsucht erinnert. 
Die Wüste ist das Bild der Unendlichkeit. Kein Ort der Welt 
ist geeigneter, religiöse Gefühle zu erwecken, und keine Zeit dazu taug— 
licher als die stille einsame Nacht. Wer in der Wüste die Stimme 
Gottes nicht hört, kennt nicht den Allmächtigen und steht tief unter 
dem Kameltreiber, der nach der mühevollen Tagesarbeit andächtig im 
Sande niederkniet und Allah?) und seinen Propheten') preist. 
. Die Karawane, eine Gesellschaft von Kaufleuten oder Pilgern, welche in 
Gemeinschaft reisen. ) Allah (arabisch), Gott. ) Muhammed. 
Engelien& Fechner, Lesebuch O. II. 
12
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.