fullscreen: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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48 Gottes Strafgericht Ln Rußland; Napoleon'- 
Sturz. 
Napoleon hatte fast alle Fürsten und Völker Europa's bezwungen. 
Sein Mermuth kannte keine Grenzen; Alles sollte ihm unterthänig, 
Alle seinem Willen gehorsam sein. Doch „wen der Herr stürzen 
will, der wird zuvor stolz". Großbritannien und Rußland 
waren noch unbesiegt und widerstrebten seiner Herrschlust. Im Som- 
mer 1812 brach der Krieg gegen Rußland los. In kurzer Zeit hatte 
Napoleon aus Franzosen und aus allen unterjochten Völkern ein wohl¬ 
geübtes und vortrefflich ausgerüstetes Heer von sechsmalhunderttausend 
Mann, über 187,000 Pferde und über 1300 Stück Geschütze zusam¬ 
men. Für Preußen verursachten die Durchmärsche einen schrecklichen 
Druck, und ungestraft mißhandelten viele Feinde die Landleute und 
Bürger, traten sogar das liebe Brot mit Füßen. Preußen wurde ge¬ 
zwungen, 20,000 Mann unter von Jork gegen Petersburg, und 
Österreich 30,000 unter Fürst Schwarzenberg nach Südrußland mar- 
schiren zu lassen; Napoleon selbst ging am 24. Juni 1812 mit der 
„großen Armee" über den russischen Grenzfluß Niemen geradeswegs nach 
Moskau. Die Russen zogen sich, was wohl bedacht war, kämpfend 
und verheerend immer zurück, und die Franzosen, welche bei Smo¬ 
lensk und am 7. Sept. bei Borodino an der Moskwa (nur 27 
Stunden von Moskau) siegten, nach welcher gräßlichsten Schlacht 70,000 
Todte und Verwundete den Kampfplatz bedeckten, fanden auf ihrem Zuge 
Alles zerstört und leer. Endlich am 14. Sept. hielt das französische 
Heer und erst während der Nacht Napoleon siegesstolz seinen Einzug 
in die alte, ungeheure Czarenstadt Moskau, wozu der Herr sprach: 
„Bis hieher und nicht weiter!" Ein trauriger, erschreckender Ein¬ 
zug war es. Die große Stadt, in der 1600 Kirchen und Kapellen 
aus der unübersehbaren Häusermasse hervorragten, war von fast allen 
ihren 400,000 Einwohnern verlassen. Die Soldaten, ausgehungert 
und müde, brachen in die Wohnungen ein, suchten Lebensmittel, raub¬ 
ten und plünderten, und — schon in dieser ersten Nacht stieg bald 
hier, bald dort die Feuersäule brennender Gebäude empor, ein heftiger 
Sturmwind heulte drein und das Löschgeräth war weggeschafft. Das 
Feuer griff immer weiter um sich, und bald stand fast ganz Moskau 
in Flammen, ein blutrothes Feuermeer, ein Ruf an die gedrückten, 
unterjochten Völker, das Grab für die Plane und das Glück Napoleons. 
Er, der gerufen: „Endlich bin ich in Moskau, in dem Palaste der 
Czaare, im Kreml!" starrte mit Entsetzen und grausamer Geistesqual 
diese Verwüstung an, und sprach: „Welch furchtbares Schauspiel! Jst'ß 
möglich? Das haben sie (die Russen) selbst gethan! So viele Paläste! 
Welch' ein außerordentlicher Entschluß! Welche Menschen! — Das ver¬ 
kündet uns schweres Unglück!" In der dritten schrecklichen Nacht er¬ 
griffen die Flammen auch den Kreml. Nur Eine enge, krumme, bren¬ 
nende Straße bot einen Ausgang, durch den Napoleon mit Mühe und 
mit halb verbrannten Kleidern dem schrecklichen Feuertode entging,
	        
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