Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Volksschulen

223. Die Baumwolle. 
223. Die Baumwvolle. 
Hermann Wagner. 
Viele Blumen und Gewächse machen ihren Samenkörnern 
ebenso warme, weiche Bettohen, wie es eine Mutter für ihr liebes 
Kind tut. Schon unsere Disteln und Weiden haben diesen 
Gebrauch; 2X ollenbaume und Baumwollsträucher tun es mit 
noch gröberer Vollkommenbeit. In den harten Pruchtschalen 
sind die Samenkerne anfänglich eingeschlossen und rings von 
feinen, langen Wollfasern umgeben, bis sie ihre völlige Reilfe 
érlangt haben. Sehenn dann die Sonne hübsch. warm, so dehnt 
dis Wolle sich aus: knack! springen die Eruchtkapseln aus 
einander und aus dem engen Gefängnis quillt ein weicher Ball 
wie ein Apfel hervor. Hat die Wolle dieé Körner anfänglich 
gewärmt und gebettet, so hat sie dieselben befreit, und wenn 
sie sich einige Stunden gehörig gebreitet, gedehnt und gelockert 
haben und der Wind zu wehen anfängt, so trennt sieb ein 
Bũschelehen nach dem andern los und macht seine Reise durcb 
die Luft. Die leichte Wolle trägt die schweren Körner in alle 
Welt und säet sie aus. Jedes Kind kennt ja den Spab schon 
im kleinen, wenn es die Lĩchterchen der Butterblumen ausbläst 
und die langstieligen Kerno ihren Pederkronen so allerliebst 
durch do ut fliegen. 
Nun hat aber eine einzige Pflanze, eine Distel, eine Weide, eine 
Baumwollstaude, so viele Samen, dab, wenn alle aufgehen und 
wachsen sollten, in wenig Jahren nicht Plat- mehr auf Erden 
wäre; die gröbere Anzahl von denselben kann zu andern 
Zwecken dienen, es bleiben immer noch genug übrig. Ja, wenn 
aueh kein einziges Samenkorn aufginge, so würde dies bei violen 
Gewachsen noch gar nicht viel ausmachen, da dieselben Wurzel- 
sprossen und Ausläufer treiben. So sammeln denn bei uns die 
Einken und Stieglitze die feine Samenwolle von Weiden und 
Disteln sowie zahlreiche hübsche Vögel in Amerika die weichen 
Hasern der Baumwolle und füttern ihre Nester damit aus. Die 
Beutelmeise webt aus den Samenhaaren der Schilfrispen und des 
Wollgrases ein Nest, das fast aussieht wie ein Pilzgchuh und 
das sie an den schwankenden Bobrstengeln aufhangt; doer 
Schneidervogel naht mit dem Schnabel und mit zahen Pasern 
dn paar Blatter zusammen und stopft den Raum zwischen ihnen 
236
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.