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könnt predigen.“ Gerade so dachten auch einige Jahre später die
sogenannten Hugenotten, d. h. die evangelischen Christen in Frank—
reich. Zwischen den Jahren 15660— 1572 wurden diese Leute zu
Tausenden von den Katholiken ermordet oder vertrieben, aber mit
dem Gesang: „Ein' feste Burg ist unser Gott“ gingen sie freudig
in den Tod und in die Verbannung. Dasselbe geschah im Jahre
L3l, aber nicht wieder in Frankreich, sondern nun in Deutschland
Da wurden die Evangelischen in Salzburg von Haus und Hof ver—
trieben, aus der Heimat und dem Vaterlande. Sie wandten sich
nordwaͤrts größtenteils nach Preußen. Und was sangen sie auf
ihren Wanderungen durch Städte und Dörfer? „Ein feste Burg ist
unser Gott.“ Das Lied war auch ihr Wanderpaß, also daß ihm ein
frommer Alter wohl mit Recht die Überschrift gegeben hat: „Aller
frommen verfolgten Christen Trotz und Trost.“
Nicht minder ist es aber auch für gar viele eine starke Wehr
und Waffe geworden. Das sehen wir unter andern an dem Schweden⸗
könige Gustav Adolf. Am 17. September 1631 stand er bei Leipzig
mit seinem Heere dem katholischen Feldherrn Tilly gegenüber. Da
gab's natürlich eine Schlacht. Aber ehe sie begann, ließ der König
sein ganzes Heer das Lied anstimmen: „Ein feste Burg ist unser
Gott.“ Als der Sieg gewonnen war, warf er sich mitten unter den
Toten und Verwundeten auf seine Kniee, dankte Gott und rief;
Das Feld muß er behalten.“ Das sehen wir vorher an den Vier
hundert von Pforzheim. Um ihren geliebten Landesherrn, den Mark—
grafen Friedrich von Baden, vor Tod oder Gefangenschaft zu retten
aäls ihn Ailly 1622 bei Wimpfen geschlagen hatte, stellten sie sich an
der Brücke des reißenden Bellinger Baches, dem einzigen UÜbergangs—
punkte, auf. Während die Kaiserlichen unter Trommelwirbel und
Tompetenklang heranrücken knieet die Schar nieder. Ueber den
Leichen ihrer Brüder und über den Leichen ihrer Feinde steigt ihr
Gesang zum Himmel empor: Ein feste Burg ist unser Gott. Der
Kampf beginnt. An der Spitze der Pforzheimer steht ihr Bürger—
meister Deimling. Ein Musketenschuß zerschmettert ihm das rechte
Bein; er knieet auf das linke und schwingt die Fahne hoch empor.
Eine Traubenkugel zerreißt ihm den rechten Arm er nimmt die
Fahne in die linke Hand. Noch einmal hebt er sie empor und sinkt,
von einer Kugel durchbohrt, zu Boden. Ein Jüngling ergreift die
Fahne. Furchlbar wütet der Tod; Leichen türmen sich auf Leichen
Immer mehr schmilzt die Heldenschar zusammen; aber ihre Fahne
hält sie allzeit hoch. Siehe, noch einmal flattert sie, noch einmal
blitzt ihre goldene Inschrift: „Ein feste Burg ist unser Gott“ über
das Feld des Todes; da saust ein Schwert durch die Luft, die Fahne
sinkt der letzte der Vierhundert ist gefallen.
So viel aus der LEebensgeschichte dieser köstlichen Perle unter
allen evangelischen Liedern. Zum Schlusse sei noch des alten Reim—
leins gedacht
Ein' feste Burg ist unser Gott,
half vor alters, hilft noch aus Not.