Full text: [Schuljahr 8, [Schülerband]] (Schuljahr 8, [Schülerband])

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Segelorder zu empfangen. Sie lautet: „Von Wilhelmshaven nach 
Kiel“ und zwar soll das Boot am andern Morgen in See gehen. 
Es ist Mitte Dezember. Am Nachmittag hat sich ein scharfer 
Nordwind aufgemacht. Er jagt Schneeböen vor sich her, welche 
die Luft zeitweise ganz verdunkeln, und das Thermometer ist unter 
den Gefrierpunkt gesunken. Das sind keine angenehmen Aussichten; 
aber was hilft es? Dem Befehle muß gehorcht werden. Der Kom— 
mandant begibt sich in seine Kajüte, die so klein ist, daß er sich kaum 
darin umdrehen kann. Dort nimmt er die Seekarte und studiert 
den Weg, den er zu nehmen gedenkt. Er soll zum erstenmal ein 
Schiff über See führen unter schwierigen Verhältnissen, allein, ohne 
Berater. Jetzt heißt es der drohenden Gefahr kühn in das Auge 
sehen, sie überwinden und zeigen, daß man des geschenkten Ver— 
trauens wert ist und trotz seiner Jugend sein Fach versteht. Lange 
liegt er wach in seiner Koje, bis ihn endlich der gleichmäßige, hohl— 
tönende Schritt der Wachtposten auf dem eisernen Deck einschläfert. 
Aber schon lange vor Tagesanbruch leidet es ihn nicht mehr unten. 
Zeitig haben die Heizer Feuer unter den Kessel gemacht. Eine 
dichte, schwarze Rauchwolke quillt aus dem Schornstein und eine 
Viertelstunde vor der bestimmten Zeit spielt Dampf über dem 
Dampfrohr, ein Zeichen, daß die Maschine fertig zum Angehen ist. 
Auf dem Flaggschiff schlägt es sieben Uhr und auf allen Fahrzeugen 
im Hafen pflanzen sich die Glockentöne fort. „Alle Mann Anker 
lichten!“ befiehlt der junge Kommandant. Die Pfeife schrillt. Mit 
einem gewaltigen Ruck am Flaschenzuge wird der Anker aus dem 
Grunde gerissen. Die Schraube schlägt an, und bevor noch die 
Glockenschläge des letzten Schiffes verhallt sind, ist das Boot unter⸗ 
wegs. Die Flagge wird zum Abschied dreimal auf- und nieder— 
geholt. Das Fahrzeug dreht sich mit dem Kopfe gegen die Strom— 
mündung und jetzt saust es wie ein Pfeil durch das Wasser, einen 
langen, weißschäumenden Streifen als Kielwasser in den graugelben 
Fluten der Jade zurücklassend. Eine frische Brise weht, kein Sonnen⸗ 
strahl durchdringt das graue Gewölk und bei der schnellen Fahrt 
schneidet die Luft eisig in das Gesicht. Die Ufer treten allmählich 
zurück. Hier ragt noch eine Windmühle auf einem Hügel, dort die 
Spitze eines Kirchturms hervor, dann verschwinden auch sie. Das 
Boot fliegt am letzten Feuerschiffe vorbei. Auch die Leuchttürme 
von Wangeroog, vom Roten Sande und von Helgoland tauchen 
tiefer und bald umfängt nur noch die weite, dunkelgrüne Fläche der 
Nordsee das kleine Fahrzeug.
	        
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