Full text: [Schuljahr 8, [Schülerband]] (Schuljahr 8, [Schülerband])

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Das also war die Feuermaschine. Neben ihr, in einen unför— 
migen Backsteinmantel eingemauert, stand der Dampfkessel, vor 
dessen feuersprühender Esse ein schweißtriefender, kohlschwarzer 
Mann hantierte. Wenn er die Feuertüre öffnete, um frische Kohlen 
auf die sausende Glut zu werfen, glühte der ganze Raum, die 
Hebel und Knaggen, die blinkende Kolbenstange und die schwarzen 
Ketten in flammrotem Licht, das wildbewegte, fast greifbare Schat⸗ 
ten in die Ecken und Winkel des finsteren Gebäudes warf. Das 
Unheimlichste waren die Töne des Ungetüms: das knarrte und 
ächzte, knallte und krachte, zischte und sauste, seufzte und stöhnte, 
bald da bald dort, als ob in jedem Winkel ein andrer Kobold säße. 
Alles aber übertönte der donnerähnliche Schlag in der Höhe, wenn 
der Schwingbaum auf seine Unterlage traf. Dem Schlag folgte 
eine fünf Sekunden lange feierliche Stille. Dann war es, als ob 
jemand unter dem Boden auf ein Blech klopfte; langsam, wider— 
willig setzte der Schwingbaum sich wieder in Bewegung, unten 
im Schacht räusperten sich die Pumpen und das grause Spiel, 
das Achzen und Stöhnen, das Sausen und Zischen, das Knallen 
und Schlagen begann aufs neue. 
Wer erinnert sich an all das, wenn er in den spiegelblanken 
Salon tritt, in dem heutzutage eine Dampfmaschine von 1000 Pferde⸗ 
kräften mit einem kaum hörbaren Seufzer, wenn nicht ganz laut⸗ 
los, ihre Riesenarbeit verrichtet? So aber sah und hörte es sich an, als 
die Dampfmaschine in ihrer Kindheit die Glieder zu regen begann. 
Sie standen beide still, Schneider und Schlosser, halb betäubt, 
ein wenig besorgt, ob sie nicht bei der nächsten Bewegung des Un— 
getüms zermalmt werden könnten. Der Schlosser packte Berb— 
linger an den Schultern und dieser fühlte, daß sein großer Freund 
zitterte. Ihm selbst war ganz feierlich zumute. Er hatte keine 
Furcht; denn er wußte, daß das Ungeheuer keine Bewegung machen 
konnte, die auch nur um das Zehntel eines Zolls von denjenigen 
abwich, die es heute schon hundertmal wiederholt hatte. Nur als 
er beim nächsten Offnen des Feuertors Potter in roter Glut auf 
dem Zylinder stehen sah und der Riesenarm des Schwingbaums 
herabkam, als müßte er den Mann zerquetschen, der in aller Ruhe 
die zischende Stopfbüchse des Zylinders fester anzog, zitterte er 
mit seinem Gefährten. Aber es geschah nichts Bedenkliches. Der 
Arm schlug krachend auf seine Unterlage. Die Maschine stand still, 
genau fünf Sekunden lang. Dann knackte es unter dem Brett, 
auf dem sie standen. Man fühlte förmlich, daß sich etwas öffnete
	        
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