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Es ist, als ob er vorüber wandle und die Natur habe sein Kommen von
ferne gefühlt und stehe bescheiden am Weg in ihrem Feierkleide und frohlocke!
Claudius.
19. Das Gewitter.
Prächtig strahlt die brennende Sonne am wolkenlosen Himmel. Drückende
Schwüle füllt auch die schattenreichen Räume, und des Tages Last und Hitze
fühlt doppelt schwer der fleißige Arbeiter. Da erscheinen am Horizonte all—
mählich dunkle Wölkchen, die den Saum des blauen Himmelsgewölbes begrenzen
und langsam näher rücken. Die Schwalbe, die sonst hoch in den Lüften
schwebt, ahnt das Herannahen eines Gewitters und durchsegelt nun in
schnellerem Fluge die niederen Regionen des Luftraumes. Der Himmel um—
wölkt sich mehr und mehr; immer schneller zusammen treibt sich das dunkle Gewölk
und verhüllt die strahlende Sonne. Staubwolken erhebt der wirbelnde Wind,
kreiselt die knarrende Wetterfahne und treibt den Wanderer unter ein sicheres
Obdach.
Der vorsichtige Hausherr schließt Fenster und Thüren, dem Zugwinde
zu wehren; denn immer näher zieht das drohende Wetter, immer mächtiger
erhebt sich der Wind, und von fern her hallt schon das Rollen des Donners.
Zuckende Blitze zerreißen das schwarze Gewölk, und dem krachenden Donner—
schlage folgt der rauschende Regen. Schneller durchkreuzen leuchtende Blitze
die Luft, heftiger folgt Schlag auf Schlag, die Fenster klirren, das Haus
dröhnt, und der Furchtsame zittert vor dem grausigen Wetter.
Doch allmählich legt sich der Wind, seltener leuchten die Blitze, und der
Donner verstummt; aber strömender ergießt sich der Regen und schwellt an
die Bäche. Von fern her sieht man nur noch ein Wetterleuchten und hört
dumpfes Rollen. Das Gewölk verzieht sich; leuchtend tritt die Sonne wieder
hinter dem Gewölk hervor, und labende Kühle verbreitet sich über die neu ver—
jüngte Flur. In den fliehenden Wolken malt sich der Regenbogen, ein Sinn—
bild des Friedens.
Die Blätter der Pflanzen erheben sich und prangen in frischem Grün;
die Blumen aber mit ihren Regentropfen sehen aus wie die erschrockenen Kin—
der, denen die hellen Thränen noch in den Augen stehen. In dem Walde
erschallt wieder der frohe Gesang munterer Vögel. Nach Nehm.
20. Dornröschen.
Vor Zeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag:
„Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!“ und kriegten immer keins. Da trug
sich zu, als die Königin einmal im Bade saß, daß ein Frosch aus dem Wasser
ans Land kroch und zu ihr sprach: „Dein Wunsch wird erfüllt werden, und
du wirst eine Tochter zur Welt bringen.“ Was der Frosch vorausgesagt hatte,
das geschah, und die Königin gebar ein Müdchen, das war schön, daß der
König vor Freude sich nicht zu lassen wußte und ein großes Fest ansiellte
Er ladete nicht bloß seine Verwandten, Freunde und Bekannten, sondern auch
die weisen Frauen dazu ein, damit sie dem Kinde hold und gewogen wären.
Es waren ihrer dreizehn in seinem Reiche; weil er aber nur zwölf goldene
Teller hatte, von welchen sie essen sollten, konnte er eine nicht einladen. Die
geladen waren, kamen, und als das Fest vorbei war, beschenkten sie das Kind