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Das versteh' ich nun schon nicht. Die Juden sollen besondre Heimlich—
keiten von dem Namen Gottes gewußt haben. Das lasse ich aber gut sein
und wünsche nur, daß das Andenken an Gott und eine jede Spur, daraus
wir ihn erkennen können, mir und allen Menschen über alles groß und heilig
sein möge.
Zu uns komme dein Reich!
Hierbei denk' ich an mich selbst, wie's in mir hin und her treibt und
bald dies bald das regieret, daß das alles Herzquälen ist und ich dabei auf
keinen grünen Zweig komme. Und dann denk' ich, wie gut es für mich wäre,
wenn doch Gott aller Fehd' ein Ende machen und mich selbst regieren wollte—
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden!
Hierbei stell ich mir den Himmel mit den heiligen Engeln vor, die mit
Freuden seinen Willen thun, und keine Qual rührt sie an, und sie wissen sich
hor Liebe und Seligkeit nicht zu retten und frohlocken Tag und Nacht, und
dann denk' ich: Wenn es doch also auch auf Erden wäre!
Unser täglich Brot gieb uns heute!
Ein jeder weiß, was täglich Brot heißt und daß man essen muß, so lange
man in der Welt ist, und daß es auch gut schmeckt. Daran denk' ich dann
Auch fallen mir wohl meine Kinder ein, wie die so gerne essen mögen und so
flugs und fröhlich bei der Schüssel sind. Und dann bet' ich, daß der liebe
Gott uns doch etwas wolle zu essen geben.
Und vergieb uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern
Schuldigern!
Es thut weh', wenn man beleidigt wird, und die Rache ist dem Menschen
süß. Das kommt mir auch so vor, und ich hätte wohl Lust dazu. Da tritt
mir aber der Schalksknecht aus dem Evangelio unter die Augen, und mir ent⸗
fällt das Herz, und ich nehm's mir vor, daß ich meinem Mitknecht vergeben
und ihm kein Wort von den hundert Groschen sagen will.
Und führe uns nicht in Versuchung!
Hier dentk' ich an allerhand Exempel, wo Leute unter den und jenen
Umständen vom Guten abgewichen und gefallen sind, und daß es mir nicht
besser gehen würde.
Sondern erlöse uns von dem Übel!
Mir sind hier die Versuchungen noch im Sinn, und daß der Mensch so
leicht verführt werden und von der ebenen Bahn abkommen kann. Zugleich
dent ich aber auch an alle Mühe des Lebens, an Schwindsucht und Alter
kalten Brand und Wahnsinn und das tausendfältige Elend und Herzeleid, das
in der Welt ist und die armen Menschen martert und quält, und ist niemand—
der helfen kann. Und du wirst finden, wenn die Thränen nicht vorher gekom—
men sind, hier kommen sie gewiß, und man kann sich so herzlich heraussehnen
und in sich so betrübt und niedergeschlagen werden, als ob gaͤr keine Hülfe
wäre. Dann muß man sich aber wieder Mut machen, die Hand auf den
Mund legen und wie im Triumph fortfahren:
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die
Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen! Claudius.
202. Das Kirchenjahr.
1. Der Frühling ist der Anfang des Naturjahres. Die Sonne rückt herauf
die Winde wehen milder Froft Schnee und Eis weichen und brechen. Es
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